– „Medizin im digitalen Zeitalter – sehe ich meinen Doktor zukünftig nur noch im Internet?“ Zu diesem „brennenden Thema“ begrüßte Wolfgang Grashorn am Mittwochabend die Gäste des 54. Gesundheitsforums im Saal des Kulturzentrums PFL in Oldenburg. Grashorn ist Vorsitzender der ÄKN-Bezirksstelle Oldenburg und moderierte die Veranstaltung, zu der die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), Bezirksstelle Oldenburg, und die NWZ eingeladen hatten.
Es referierten Dr. med. Daniel Overheu, ärztlicher Leiter Telemedizin am Klinikum Oldenburg, und Prof. Dr. jur. Fabian Schmieder, Professor für Medienrecht an der Hochschule Hannover. Außerdem beantworteten die Experten die zahlreichen Fragen aus dem Publikum. Eine Auswahl:
Overheu: Der Ärztemangel wird sich noch verschärfen, aber wie wollen sie sonst medizinische Expertise bekommen? Telemedizin kann die handelnden Hände nicht ersetzen, aber sie kann Fachwissen ortsunabhängig bereithalten. Und so zum Beispiel vermeiden, dass ein Arzt wertvolle Zeit mit langen Autofahrten verbringt, in der er auch per Telekommunikation behandeln könnte.
Overheu: Wenn ich Ihre Daten haben will, kann ich auch einen Brief an Sie öffnen oder in eine Arztpraxis einbrechen und Ihre Akte klauen. Solchen Vergehen liegt eine Kosten-Nutzen-Abwägung zugrunde. Aber natürlich müssen möglichst sichere Kanäle zur Datenübermittlung genutzt werden. Röntgenbilder sollten beispielsweise nicht über Messenger-Dienste wie etwa Whatsapp verschickt werden.
Schmieder: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist besser als ihr Ruf, weil sie relativ flexibel ist und den Risikobegriff aufgenommen hat. Denn absolut sicher ist nichts. Es geht immer darum, das Risiko abzuwägen. Die DSGVO setzt für Gesundheitsdaten sehr hohe Sicherungsanforderungen. Die allerdings im Bankensektor bereits heute bewältigt werden. Meine große Sorge betrifft eine hohe Konzentration von Daten. In Estland werden beispielsweise alle Gesundheitsdaten in einem Zentrum gespeichert. Das ist zwar relativ gut abzusichern, aber wenn es gehackt wird, ist eine riesige Datenmenge betroffen.
Schmieder: Ein Arzt ist stets an das Berufsrecht der Kammer gebunden, der er angehört. Ärzte die im Ausland approbiert sind, unterliegen dem dortigen Berufsrecht. Spannender ist die Frage, welches Recht für den Behandlungsvertrag – etwa mit einer Teleklinik – gilt; hat diese ihren Sitz in Deutschland, findet auch ausschließlich deutsches Recht Anwendung. Das ist vor allem für Haftungsfälle wichtig, da dann die hiesigen medizinischen Standards heranzuziehen sind. Sitzt der Anbieter etwa in Indien, kann es unter Umständen möglich sein, dass der Behandlungsvertrag auch dem dortigen Recht unterliegt.
Overheu: Das ist je nach Projekt total unterschiedlich. Für Offshore-Projekte gibt es eine eigene Leitstelle, die die Einsätze disponiert. Andere laufen über Rettungsleitstellen. Aber das müssen auch nur die Beteiligten wissen, nicht die Patienten. Wir müssen die Wege schaffen, dass jeder die notwendige Behandlung erhält.
Overheu: Das Projekt läuft seit August 2018 und wir können die Einsätze zeitgerecht bedienen. Wir hatten einen Aufschrei erwartet im Sinne von: Sie nehmen uns den fahrenden Doktor weg! Aber die Resonanz ist durchweg positiv. Die Leute sind froh, dass sich jemand kümmert.
Overheu: Wäre ich selbstständiger Unternehmer, würde ich Ihnen ein Angebot machen. Denn auf dem Markt gibt es Lösungen für internationale Gesundheitsdienstleistungen. Dabei sollte man aber aufpassen, dass man nicht in irgendeinem Call-Center landet. Technisch könnte ich Sie vom Klinikum Oldenburg aus natürlich auch in Schweden telemedizinisch behandeln, denn das Internet endet ja nicht an Ländergrenzen.
Schmieder: Der Arzt trifft die Entscheidung und haftet damit auch. Künstliche Intelligenz sollte für Mediziner daher stets nur als Werkzeug begriffen werden. Wenn eine KI die Diagnosefähigkeiten von Ärzten verbessert und dadurch der medizinische Standard steigt, dürften Ärzte sogar verpflichtet sein, solche Systeme einzusetzen.