ABBEHAUSEN Miles wird hektisch: Die Vorderbremse reagiert nicht mehr. Durch die steile Abfahrt und das permanente Bremsen hat sich die Bremsflüssigkeit so stark aufgewärmt, dass sie zu kochen beginnt. Der Bremshebel lässt sich bis zum Anschlag durchdrücken. Mit wohl fast 100 Stundenkilometern gehts bergab – lebensgefährlich bei diesen schwer einzusehenden Kurven.
Augen zu und durch
Miles setzt auf die Hinterradbremsen, drosselt die Geschwindigkeit. Bei nächster Gelegenheit legen wir eine Pause ein und warten, um die Flüssigkeit etwas abkühlen zu lassen. Es ist stockdunkel, unheimlich still, wir sind irgendwo im Nichts. Wir frieren und ziehen uns nach dem Zwiebelprinzip ein T-Shirt übers andere. Wir sind völlig alle und genervt vom Fahrtwind und von der Ungewissheit, wie lange der Roller noch mitmacht. Wir reden kaum noch miteinander, sind uns aber einig: Augen zu und durch! Wir wollen jetzt unser Ziel Torrevieja erreichen, auf Biegen und Brechen.
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Benzin haben wir noch genug. Es ist gut eine Stunde vor Mitternacht. Kurz hinter Valencia biegt Miles auf die Autobahn ab. Wir wissen, dass wir das mit einem 50-Kubikzentimeter-Roller nicht dürfen. Aber irgendwann muss die Guardia Civil ja Feierabend haben. Zudem vertrauen wir auf das Glück, das uns bisher immer begleitete: Seit fast zwei Wochen fahren wir konsequent etwas schneller als 60 km/h. Mehrere Male wurden wir schon geblitzt, doch immer nur von vorn. Kein Problem, da das Nummernschild ja hinten ist. Warum sollte uns Fortuna ausgerechnet 170 Kilometer vor dem Ziel im Stich lassen?
Und tatsächlich, wir schaffen es: Kurz hinter Alicante biegen wir in Santa Pola auf die N 332 ab. Noch 36 Kilometer. Ein Klacks! Um 1.35 Uhr erreichen wir völlig fertig das Ziel. Die Klingel am Reihenhaus im Royal Interpark II funktioniert nicht, wie immer. Wir klopfen lautstark. Die Tür öffnet sich einen Spalt, unsere Eltern schauen mit verschlafenen Gesichtern heraus: „Ach ihr schon? Wir haben euch erst in einer halben Woche erwartet!“ Kurz etwas getrunken, kurz das Nötigste erzählt – und dann ab ins Bett.
Lange schlafen, duschen, fürstlich frühstücken. Dann eine (vorerst) letzte Fahrt auf dem Roller zur Post, um Briefmarken zu kaufen, um all denen berichten zu können, die gegen uns gewettet haben. Obwohl in Torrevieja im Winter 110 000 Menschen leben und im Sommer mehr als eine Million, zuckt man im Hauptpostamt nur mit den Schultern: Alle Briefmarken ausverkauft, heißt es, erst morgen gibts neue.
Also ab an den Strand zum Abschlussfoto auf der Promenade: Das Meer ist ungewöhnlich aufgewühlt, es bläst ein heißer Wüstenwind von Afrika herüber. Aber wir sind da, am Ziel. Die Sonne strahlt vom makellos blauen Himmel und das Thermometer zeigt 34 Grad. Eine Woche lang Ruhe und entspannen!
Herrliche Landschaften
Das Fazit unserer abenteuerlichen „Europatour 2011“: Über 2600 Kilometer gefahren, doch Petrus meinte es leider häufig nicht gut mit uns. Der schwer beladene Roller schwächelte heftig im Gebirge, brachte uns trotz vieler Mucken schließlich aber heil ans Ziel. Körperlich war die Fahrt eine echte Tortur. Aber: Wir haben viele nette Menschen kennengelernt und sind durch herrliche Landschaften gefahren. Landschaften, die der Normal-Urlauber nie erleben wird. Und wir sind auch ein bisschen stolz darauf, durchgehalten zu haben.