Bremen Wer am späten Sonntagabend nach der 0:1-Blamage gegen den zuvor auswärts sieglosen Aufsteiger SC Paderborn den gefrusteten Fußballern und Verantwortlichen von Werder Bremen bei ihren Erklärungsversuchen im Innenraum des Weserstadions zuhorchte, bekam immer wieder ein ganz bestimmtes Wort zu hören.
„Unser Pressing war nicht gut und wir hatten viel zu
wenig Intensität.“
„Wir haben über Druck, Willen und Intensität gesprochen. Das alles hat gefehlt.“
„Grundsätzlich hat uns
die Intensität gefehlt.“
Nun ist es natürlich nicht leicht, direkt nach einem derart enttäuschenden Erlebnis mit einem Gegentor in der Nachspielzeit die passende Begründung für das Dargebotene zu finden. Wie aber kann es sein, dass der Mannschaft in einem derart wichtigen Heimspiel, in das sie mit dem Rückenwind eines 3:2-Sieges in Wolfsburg ging und in dem sie den individuell besseren Kader als der Gegner besitzt, die Intensität fehlt? Anders ausgedrückt – und die Frage stellt sich seit Sonntagabend: Kann dieser Bremer Kader überhaupt Abstiegskampf?
Eigentlich sollten Yuya Osako, Milot Rashica und Co. um die internationalen Plätze mitspielen – das war das Ziel des Fußball-Bundesligisten. Nun steht in der Bilanz aber: 14 Spiele, 14 Punkte, 14. Platz. Nur zwei Zähler Vorsprung auf Relegationsplatz 16. Dazu hat Werder noch kein Pflichtspiel ohne Gegentor beendet, stellt mit 29 kassierten Treffern die viertschwächste Abwehr der Liga, hat nach vorn zu wenig Durchschlagskraft und leidet an dem Formtief zahlreicher Leistungsträger.
Florian Kohfeldt versuchte den phlegmatischen und ideenlosen Auftritt gegen die Ostwestfalen in seiner bekannt sachlichen, angenehmen Art und Weise zu analysieren. „Es ist ein fußballerisches Problem, kein Kopfproblem“, stellte der Bremer Trainer fest und sprach davon, dass sein Team auch aufgrund der vielen Verletzungen „noch keinen Rhythmus“ in dieser Saison gefunden habe.
„Wir müssen uns aus dieser extrem schwierigen Phase spielend herauskämpfen“, sagte Kohfeldt zudem mit der Betonung auf „spielend“. Er lässt gern attraktiv nach vorn spielen, will seinen Weg und die Spielidee nicht verlassen. Das Wort Abstiegskampf nehme er „deshalb nicht so gern in den Mund, weil wir eine Mannschaft sind, in der Kämpfen und Aggressivität ohnehin selbstverständlich sein müssen“, meinte Kohfeldt – und legte einen Satz nach, der in der aktuellen Lage jedem Werder-Fan Sorgen bereiten muss. Man dürfe sich nicht nur auf die Grundtugenden verlassen, denn:
„Dazu haben wir auch gar nicht die Spieler.“
Wer sich die Fußballer im Bremer Aufgebot ansieht, der kann das durchaus nachvollziehen. Osako im Sturm beispielsweise ist ein Techniker, der mit seiner Leichtigkeit glänzen kann, nicht aber wie gegen Paderborn in einer schleppenden Partie den entscheidenden Impuls setzt. Rashica kommt über seine Schnelligkeit und Torgefahr, aber reißt er ein verunsichertes Team in einer schwierigen Lage mit? Leonardo Bittencourt ist zweifellos ein begnadeter Fußballer, defensiv hat er aber große Schwächen.
Dazu hat Werder ein Dreigestirn im Mittelfeld, das grundsätzlich für Kampf und Einsatz steht – also auch Abstiegskampf können müsste. Aber alle drei kämpfen stattdessen zu sehr mit ihren eigenen Problemen. Philipp Bargfrede kommt gerade erst aus einer weiteren langen Verletzungspause und kann noch nicht wieder bei hundert Prozent sein. Maximilian Eggestein spielt an seiner Qualität gemessen eine schwache Saison, wirkte auch gegen Paderborn verunsichert und überhastet in seinen Aktionen. Und Davy Klaassen läuft und läuft zwar – effektiv ist der Niederländer aber nicht.
Der „Schlag in die Magengrube“, wie Ludwig Augus-tinsson das 0:1 bezeichnete, sollte zumindest alle wachgerüttelt haben. Frank Baumann fand ziemlich deutliche Worte. „Erst mal muss man anders in so ein Spiel gehen. Wenn ich nicht den besten Tag habe, muss ich mich umso mehr reinkämpfen“, kritisierte Werders Sportchef. Und dann sagte Baumann noch einen Satz, der gleichermaßen wahr wie unbehaglich war: „Wenn man das Schalke-Spiel (1:2) sieht und das heute, dann macht mir vor allem die Leistung Sorge, weil das ein Thema war, das wir über die ersten zehn, zwölf Spiele nicht bemängeln konnten.“
Die Leistung stimmt spätestens seit Sonntagabend nicht mehr – und die Stimmung ist am Tiefpunkt. Nun muss der Bremer Kader zeigen, dass er tatsächlich auch Abstiegskampf kann.