Bremen Die erschreckenden Schwächen bei Standardsituationen des Gegners, die desaströse Heimbilanz, das laue Lüftchen im Sturm, Platz 17 nach 29 Spieltagen, die schlechteste Tordifferenz aller Erstligisten – bei Werder Bremen deutet derzeit viel darauf hin, dass die Mannschaft zum zweiten Mal nach 1980 aus der Fußball-Bundesliga absteigen wird. Nach der 0:3-Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt am Mittwochabend – der eingewechselte Gästeakteur Stefan Ilsanker traf dabei zweimal nach Standardsituationen – stecken die Bremer noch tiefer im Abstiegsstrudel als vorher. Was spricht eigentlich noch dafür, dass Werder auch in der Saison 2020/21 in der Bundesliga spielt?
Die Bremer spielen noch gegen den VfL Wolfsburg (diesen Sonntag, 13.30 Uhr), beim SC Paderborn (Samstag, 13. Juni, 15.30 Uhr), gegen Bayern München (Dienstag, 16. Juni, 20.30 Uhr), bei Mainz 05 (Samstag, 20. Juni, 15.30 Uhr) und zum Abschluss gegen den 1. FC Köln (Samstag, 27. Juni, 15.30 Uhr). Paderborn und Mainz sind direkte Konkurrenten im Abstiegskampf – also Mannschaften, die ähnlich große Schwierigkeiten haben wie Werder. Die Wolfsburger sind in dieser Saison zwar ein Europapokal-Aspirant und belegen derzeit den sechsten Platz, die Mannschaft liegt Werder aber. In der Hinrunde gewann das Team von Florian Kohfeldt mit 3:2 beim VfL. Von den vergangenen acht Ligaspielen gegen Wolfsburg verloren die Bremer kein einziges, es sprangen sechs Siege und zwei Unentschieden heraus. Gegen den FC Bayern ist objektiv betrachtet wohl wenig zu holen. Anders sieht es gegen den 1. FC Köln aus. Die Rheinländer werden am letzten Spieltag den Klassenerhalt wohl schon sicher haben und könnten es – bei aller Professionalität – in Bremen etwas ruhiger angehen lassen.
Ja, bei Werder ist der Wurm drin. Es läuft nicht, viele Spieler bleiben unter ihren Möglichkeiten. Aber insbesondere Offensivkräfte wie Milot Rashica, Leonardo Bittencourt oder Maximilian Eggestein haben eine individuelle Klasse, die sie in entscheidenden Momenten ausspielen können – auch wenn die Mannschaft insgesamt in einem Tief steckt. Werder hat viele gestandene und gute Bundesligaprofis in seinen Reihen, die viel mehr können, als sie derzeit zeigen.
„Nach dieser Leistung habe ich die Hoffnung aufgegeben. Es fehlte an allem.“ So sprach der damalige Leverkusener Trainer Thomas Hörster im Mai 2003 nach einer Niederlage beim Hamburger SV über die Chancen seines Teams im Abstiegskampf. Die Leverkusener Clubführung war entsetzt und stellte Hörster den Stuhl vor die Tür. Von einer solchen Aussage ist Kohfeldt weit entfernt. „Der Weg ist heute schwieriger geworden, aber er ist nicht unmöglich. Wir werden weiter kämpfen“, sagte er nach der Heimpleite gegen Frankfurt. Die Niederlage sei „ein Rückschlag, aber kein Knockout“ gewesen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass da heute etwas zerbrochen ist“, erklärte Kohfeldt: „Im Abstiegskampf muss man auch mal einen Rückschlag wegstecken. Und das werden wir.“ Übrigens: Leverkusen holte damals Klaus Augenthaler für Hörster, gewann die letzten beiden Saisonspiele und rettete sich noch.
Auch wenn die Aussagen von Kohfeldt für viele wie leere Durchhalteparolen klingen, ist die Rettung natürlich noch möglich. Ein Beispiel dafür ist der famose Lauf des SC Freiburg in der Saison 1993/94, als die Breisgauer die letzten drei Saisonspiele allesamt gewannen und am Ende – punktgleich mit Absteiger 1. FC Nürnberg, aber mit der besseren Tordifferenz – noch den Klassenerhalt schafften. In der Saison 2014/15 war der Hamburger SV nach 29 Spieltagen sogar Schlusslicht und blieb am Ende noch über die Relegationsspiele in der Bundesliga.