Oldenburg Ältere Politiker, die früher herausragende Ämter innehatten, können sich nach ihrer aktiven Amtszeit nicht nur unbeschwerter über Entscheidungen ihrer eigenen Partei äußern. Sie verbinden oft auch großes Sachwissen mit hohem Reflexionsvermögen.
Ein Beispiel für dieses Vermögen lieferte der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) bei einem Auftritt auf Einladung von Konrad-Adenauer-Stiftung und Jade Hochschule am Donnerstag im Alten Landtag in Oldenburg. Der fast 84-Jährige begeisterte die knapp 250 Besucher mit einem Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft, das allerdings manche Unternehmer zusammenzucken lassen dürfte.
Es ist die Rückbindung an Werte, die der Jurist und Volkswirt in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vermisst.
Zentral für Biedenkopf ist die soziale Verantwortung für die Bürger, die der Staat übernimmt. Soziale Absicherung gewähre der Staat jedoch nicht aus Nettigkeit. Sie gebe dem Bürger die Freiheit, sich für sich selbst und für das Gemeinwohl zu engagieren.
Wirtschaftliche Freiheit ohne Rückbindung an die soziale Verantwortung – das ist für Biedenkopf Neoliberalismus. Ein Sozialstaat, der nicht Freiheit und Eigenverantwortung seiner Bürger fördert, eine Gefahr. Der Christdemokrat sieht zum Beispiel bei kirchlichen Sozialeinrichtungen wie dem Diakonischen Werk die Tendenz, Bürgern nicht genügend Raum zur Entfaltung ihrer Freiheit zu lassen.
Was bedeutet die Verbindung von sozialer Verantwortung und Freiheit für die soziale Marktwirtschaft heute? Biedenkopf spricht von der Notwendigkeit der Begrenzung. Es sei falsch, das Bruttoinlandsprodukt ständig steigern zu wollen. Die Wirtschaft müsse Maß halten. Solche Sätze sind nicht bequem – der langanhaltende Beifall zeigte aber, dass die Zuhörer trotzdem dankbar dafür sind.