Washington Bisher hat der Demokrat Joe Biden, im April zum Präsidentschafts-Kandidaten gekürt, seine Kampagne nach der Devise geführt: So wenig wie möglich reden und wenn gesprochen wird, bloß keine Fehler machen. Der 77-Jährige kann sich eine solche Strategie leisten. Denn von den Umfragen her liegt er deutlich vor Donald Trump.
Dies erleichtert auch den Weg zum nächsten Meilenstein: Um den 1. August will Biden bekannt geben, welche Frau seine Vizepräsidentschafts-Kandidatin wird. Und dabei dürfte sich der Bewerber, der sich früh auf eine Frau festgelegt hatte, nach dieser historischen Leitlinie richten: Eine gute Auswahl bei der Stellvertreter-Frage gibt dem Kandidaten am Wahltag gewöhnlich nicht viele Bonuspunkte – doch eine schlechte Entscheidung kann erheblichen Schaden anrichten.
Palin blamiert sich
Das bekam besonders der Republikaner John McCain zu spüren. Er hatte 2008 Sarah Palin, die damalige Gouverneurin von Alaska, als Stellvertreterin nominiert, um im Duell gegen Barack Obama mit frischem Blut für Aufmerksamkeit zu sorgen. Doch Palin blamierte sich in ihren ersten TV-Interviews und zeigte einen eklatanten Mangel an Allgemeinbildung – was am Ende ein schlechtes Licht auf McCain warf.
Dabei nimmt der Vizepräsident in den USA vor allem protokollarische Pflichten wahr oder begibt sich auf Dienstreisen in Länder, die seinem Chef als zweit- oder drittrangig erscheinen. Nur beim Tod oder einer schweren Erkrankung, die den Präsidenten unfähig für seine Dienstgeschäfte macht, darf er einspringen.
Diese politischen Realitäten nehmen den Druck von Biden, obwohl seine Parteifreunde versuchen, eben jenen Druck im eigenen Interesse auszuüben. Er müsse unbedingt eine Schwarze berufen, tönt es aus der einen Ecke – auch unter Verweis auf die „Black Lives Matter“-Bewegung. Andere wiederum wollen vor allem eine Progressive auf dem Vize-„Ticket“ sehen – und meinen damit vor allem die Senatorin und frühere Mitbewerberin Elizabeth Warren, die vor allem Jungwähler und Linke in der Partei ansprechen würde und die weiß ist.
Harris als Favoritin?
Als Favoritin wird immer wieder die kalifornische Senatorin und Ex-Staatsanwältin Kamala Harris genannt, die wie Warren einst die Nominierung der Demokraten angestrebt hatte. Aber auch Susan Rice, die frühere Sicherheitsberaterin von Barack Obama, scheint gut im Rennen.
Zudem fallen auch Namen, die eher regional bekannt sind und deshalb als Außenseiter eingestuft werden müssen. Die Senatorin Tammy Duckworth aus Illinois zählt dazu, eine nach einem Absturz im Irak beinamputierte Ex-Hubschrauberpilotin der US-Armee. Oder die farbige Abgeordnete Karen Bass aus Los Angeles. Doch sie haben bei Weitem nicht das nationale Profil und den Erkennungswert, die Warren, Harris und Rice bereits auszeichnen.