Köln Am 24. Dezember 1959 erlebt die jüdische Gemeinde in Köln einen Schock. Ihre von den Nazis zerstörte Synagoge an der Roonstraße war nach dem Wiederaufbau erst drei Monate zuvor eingeweiht worden. Und nun wählen zwei junge Rechtsextreme ausgerechnet die „Heilige Nacht“ der Christen, um an eine Außenmauer mit roter und weißer Lackfarbe die Parolen „Deutsche fordern: Juden raus“ und „Juden raus“ zu schmieren. Einen Synagogeneingang versehen sie mit Hakenkreuzen.
Zwei 25-Jährige
Die Schändung des Gotteshauses vor 60 Jahren reiht sich ein in eine Kette ähnlicher Delikte – und wirft ein Licht auf den Antisemitismus in der Nachkriegszeit. In den folgenden acht Wochen werden bundesweit 618 solcher Straftaten verzeichnet, bevor dann wieder ein merklicher Rückgang eintritt.
Beim Besuch des ehemaligen KZ Bergen-Belsen am 2. Januar 1960 bedauert Kanzler Konrad Adenauer, der an der Wiedereinweihung der Kölner Synagoge teilgenommen hatte, den Vorfall. Zwei 25-Jährige – die Rechtsextremen Arnold Strunk und Franz Josef Schönen – schändeten an Heiligabend nicht nur die Synagoge, sondern suchten drei Stunden zuvor das Mahnmal für die NS-Opfer am Hansaring auf und überpinselten mit schwarzer Farbe die Inschrift „Dieses Mal erinnert an Deutschlands schandvollste Zeit 1933-1945“.
Kanzler nimmt Stellung
Für Adenauer ist die Synagogenschändung zwar ein Fall „politischer Natur“. Die anderen, danach folgenden Vorfälle bewertet er aber überwiegend als „Flegeleien ohne politische Grundlage“.
In den Schmierereien an der Kölner Synagoge und den folgenden Straftaten bricht aber der fortlebende Antisemitismus auf, der in der Nachkriegszeit unter der Decke gehalten wurde, so der Erfurter Historiker Karl-Joseph Hummel. Mit der Kölner Synagogenschändung, dem wenige Monate zuvor begonnenen Ulmer Einsatzgruppen-Prozess gegen zehn Gestapo- und Polizeiangehörige, die mehr als 5500 Juden ermordet hatten, sowie dem im Frühjahr 1961 startenden Eichmann-Prozess sei die Schweigephase über die weithin verdrängte Geschichte der Schoah und des Nationalsozialismus durchbrochen worden.
Die Kultusminister der Länder beschließen im Februar 1960, dass der Nationalsozialismus Schwerpunkthema im Geschichtsunterricht werden muss. Zudem verabschiedet der Bundestag wenige Monate später ein „Gesetz gegen Volksverhetzung“.