Hannover /Im Nordwesten Rote Karte für etliche Landwirte aus der gesamten Region: Um die Qualität unseres Grund- und Oberflächenwassers zu verbessern, müssen sich Landwirte in ausgewiesenen Gebieten künftig an deutlich strengere Düngeauflagen halten. Das haben die niedersächsische Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Dienstag vor Journalisten in Hannover erläutert und Regionen mit besonders starker Nitrat- und Phosphatbelastung herausgestellt. Veröffentlicht wurde zudem eine Karte mit sogenannten roten Gebieten.
Sehen Sie hier die Karte mit den betroffenen Gebieten
Umweltminister Lies erklärte: „Wir haben nitratsensible und phosphatsensible Gebiete ausgewiesen, in denen aufgrund der aktuellen Belastung ein hoher Handlungsbedarf besteht.“
Die Grundwasser-Gebiete („Nitrat-Kulisse“), in denen dringender Handlungsbedarf besteht, umfassen rund 39 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche – also rund eine Million Hektar. Von den insgesamt 37 Landkreisen und acht kreisfreien Städten in Niedersachsen sind lediglich folgende NICHT von der Ausweisung der nitratsensiblen Gebiete betroffen: Emden, Wilhelmshaven, Hameln-Pyrmont, Holzminden, Northeim, Göttingen und Goslar. In allen anderen Landkreisen und Städten werden ab November gravierende Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers nötig. Folgende Landkreise haben in Teilen mit Sanktionen zu rechnen: Wittmund, Aurich, Leer, Friesland, Ammerland, Wesermarsch, Cloppenburg, Oldenburg, Emsland, Grafschaft Bentheim, Osnabrück, Vechta, Diepholz, Osterholz, Cuxhaven, Stade, Rotenburg (Wümme), Verden, Nienburg (Weser), Harburg, Heidekreis, Lüneburg, Uelzen, Lüchow-Dannenberg, Celle, Gifhorn, Region Hannover, Schaumburg, Peine, Wolfsburg, Helmstedt, Braunschweig, Wolfenbüttel und Hildesheim.
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Die Problematik beim Oberflächengewässer („Phosphat-Kulisse“) umfasst etwa ein Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Das entspricht etwa 35 000 Hektar. Folgende Landkreise sind dabei ins Visier geraten: Ammerland, Osnabrück, Diepholz, Cuxhaven, Region Hannover, Nienburg (Weser), Schaumburg und Göttingen. Betroffen sind die Einzugsgebiete folgender Wasserflächen: Zwischenahner Meer, Steinhuder Meer, Dümmer, Bederkesaer See, Dahlemer/Halemer See, Flögelner See, Balksee und Seeburger See.
Zum Schutz des Wassers werden in den ausgewiesenen Gebieten folgende Auflagen verhängt:
• Verpflichtende Analysen des Wirtschaftsdüngers (also etwa Stallmist, Jauche, Gülle sowie Stroh und Pflanzenrückstände) vor Verteilung auf den Flächen, um den genauen Nährstoffgehalt zu kennen und so die Düngung noch präziser gestalten zu können.
• Das Einarbeiten von Wirtschaftsdünger und Gärresten in den Boden innerhalb von einer Stunde (anstatt früher vier Stunden) nach Verteilung.
• Erhöhung der Mindestlagerkapazität für flüssige Wirtschaftsdünger und Gärreste auf sieben anstatt sechs Monate.
• Auf hoch und sehr hoch versorgten Böden ist nur eine reduzierte Phosphat-Düngung möglich.
Das Landvolk Niedersachsen reagierte verhalten. „Die Karte mit den roten Gebieten basiert nach unserer Einschätzung auf einem sehr groben Raster. Es wurden auch bei offensichtlich nicht repräsentativ verteilten Messstellen pauschal große Gebiete einbezogen. Das ist aus unserer Sicht ein ungerechtfertigtes Vorgehen und führt zu völlig unnötiger Betroffenheit einzelner Landwirte. Hier sehen wir konkreten Korrekturbedarf“, sagte Landvolkvizepräsident Dr. Holger Hennies. Zugleich bleibe für die Betriebe weiterhin eine große Unsicherheit: „Das zukünftige Anforderungsniveau hängt von den Verhandlungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission ab. Einige Vorschläge, die hier diskutiert werden, gehen über jedes vernünftige Maß hinaus und sind kontraproduktiv. Dazu zählen die geplante Reduzierung der Nährstoffversorgung um 20 Prozent unter den Nährstoffbedarf der angebauten Nutzpflanzen oder das Verbot einer Düngung von Zwischenfrüchten, die für den Wasser- und Bodenschutz angebaut werden“, warnte Hennies.
Mithilfe der Länderverordnung sollen die Nährstoffeinträge in Gebieten mit stark belastetem Wasser durch die Landwirtschaft verringert und damit die Umweltziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden. Außerdem soll weiteren Verfahren der EU-Kommission wegen Nichtumsetzung der EG-Nitratrichtlinie wirksam entgegengewirkt werden.
Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Jahr festgestellt, dass Deutschland gegen seine Verpflichtungen zum Schutz des Grundwassers im Rahmen der Nitratrichtlinie verstoßen hat. Die Europäische Kommission hatte im Juli 2019 gegen Deutschland wegen des andauernden Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie ein Aufforderungsschreiben übermittelt. Sie mahnt Deutschland erneut, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Juni 2018 umzusetzen. Geschieht dies nicht, können Strafzahlungen verhängt werden.