Berlin Es ist eine Tradition. Im Sommer zieht die Bundeskanzlerin in Berlin vor den Journalisten der Bundespressekonferenz Bilanz. Dieses Mal ist es besonders. Angela Merkel kommt nicht mehr als CDU-Vorsitzende, und sie hat ihren Rückzug angekündigt. Spätestens 2021 ist Schluss. Es gibt Spekulationen über ihren Gesundheitszustand. Die SPD schwächelt, die Zukunft der Großen Koalition ist offen. Die wichtigsten Erkenntnisse von Merkels Pressekonferenz:
Die Antwort fällt knapp aus. „Gut“, sagt Merkel auf die Frage, wie es ihr gehe. Medizinische Details zu den Zitteranfällen nennt sie nicht. Nur so viel sagt die Kanzlerin: Sie sei „voll handlungsfähig“, lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich erst am Ende der Legislaturperiode zurückziehen will.
Entgegen ihrer Ankündigung ist die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer doch ins Kabinett eingerückt. Die Kanzlerin mag darin keinen Wortbruch erkennen. „Es gibt immer neue Entwicklungen in der Politik, da muss es auch Verständnis für neue Entscheidungen geben“, wirbt Merkel um Verständnis. Ob darin auch ein Hinweis auf ihre Nachfolge liegt? Kein Kommentar.
„Stolz“ sei sie über die Wahl der ehemaligen Verteidigungsministerin zur EU-Kommissionspräsidentin. Sie sei „überrascht“ gewesen, wie viele der Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen gekannt hätten. Die Kür sei „eine gute Nachricht für Europa“ sagt Merkel und fügt hinzu: „Dass wir die einzigen sind, die in Europa griesgrämig rumrennen, ist auch nicht notwendig.“ Ein Seitenhieb auf die SPD.
Die SPD sei in einer schwierigen Lage. Aber sie arbeite mit der kommissarischen Parteiführung um Malu Dreyer und Vize-Kanzler Olaf Scholz „gut“ zusammen. Die Regierung „hat gezeigt, dass wir handlungsfähig sind, obwohl wir zum Teil große Meinungsverschiedenheiten überbrücken müssen“, sagt sie. „Deshalb wird der Herbst auch sehr arbeitsreich sein“, sagt Merkel. Sie glaubt an die Groko.
Ohne Ergebnis bleibt die Sitzung des Klimakabinetts. Die Union setzt auf den Zertifikatehandel, die SPD auf eine CO2-Steuer. Eine Entlastung der Verbraucher wollen beide. Am 20. September soll die Entscheidung zur CO2-Bepreisung fallen. Merkel macht Tempo und lobt auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie hat „uns sicherlich zur Beschleunigung getrieben.“
„Seenotrettung ist nicht nur Verpflichtung, sondern ein Gebot der Humanität“, erklärt Merkel. Ausdrücklich lobt sie das Engagement von Innenminister Horst Seehofer (CSU) für eine Koalition der Willigen zur Verteilung der Flüchtlinge. Und sie zeigt sich selbstkritisch. „Auch Deutschland trägt daran Schuld“, sagt sie zum Webfehler der Dublin-Reform im EU-Asylsystem. Innenminister Otto Schily (SPD) hatte damals durchgesetzt, dass ein Asylantrag in dem EU-Staat bearbeitet wird, in dem ein Flüchtling ankommt.
Der US-Präsident wird kein Freund der Kanzlerin mehr. Im Mai hat Merkel die Politik Trumps in ihrer Rede an der US-Universität Harvard zerlegt. Nun beleidigte Trump vier demokratische Politikerinnen mit Migrationshintergrund. Merkel lobt das Multikulturelle als „Stärke der USA“ und sagt: „Ich distanziere mich von Trumps Äußerungen persönlich und erkläre mich solidarisch mit den vier attackierten Frauen.“