Emden Der Weg führt nicht in einen kalten, verrauchten Probenraum. Man keine rauschenden Verstärker, keine Musiker, die ihre Instrumente stimmen. Es hängen auch keine Tourplakate an der Wand. Musiker Marcel Müller hat zu sich nach Hause nach Emden eingeladen. In dem alten Treppenhaus duftet es nach frischer Wäsche, in den Gängen stehen Blumen und Schuhe. Irgendwo läuft ein Fernseher, ansonsten ist es ruhig.
Text ablesen vom Handy
Routiniert drückt er einige Knöpfe und schon bald erklingen lässige Beats, über die er konzentriert, aber entspannt rappt: „Dikka ja ich chille mit der Clique / Du weißt wenn ich spitte wird es lit / Ich hab kein Gewissen wie John Wick / Ihr könnt euch verpissen mit den Tipps / Ich bin ein Lone Rider wie der Ghost Rider ey / Alles real spiel keine Show kleiner ey”. Marcel ist schnell in seinem Flow, bewegt die Hände rhythmisch und geht voll darin auf. Den Text liest er von seinem Handy ab, das mit einer Halterung am Mikrofon festgemacht ist.
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Im Gegensatz zu den typischen Proberaum-Bands entstehen die HipHop-Songs von Marcel in seiner eigenen Wohnung. Das Schlafzimmer ist sein Proberaum, sein Computer das Aufnahmestudio. Angefangen hat der 23-jährige Emder unter dem Namen „Dolo“, heute nennt er sich „Mercy”. Auf HipHop gestoßen ist Marcel durch Eminem und 50 Cent. Vor allem aber Kanye West, und dessen Album „Graduation“, waren eine große Inspiration für ihn.
Moderne Songs mit R’n’B-Einflüssen
Marcel gefällt es, dass Rapper sich nicht verstellen und das sagen, was sie denken. In den letzten Jahren wurde HipHop musikalischer und zugänglicher. Er schreibt dies vor allem Migos und Drake zu: „Die brachten mehr Melodien, neue Beats und Flows”. Dies hört man auch den acht Tracks seiner EP „#onmygrind” an, nachzuhören auf seinem Soundcloud-Channel. Sie klingen sehr modern – mal treibend, mal atmosphärisch – und haben neben Trap- auch leichte R ’n’ B-Einflüsse.
Marcel baut die Songs an seinem Computer zusammen, mit „Logic Pro X“, einem Musikproduktionsprogramm für den Mac. Die Beats holt er sich häufig aus YouTube-Kanälen, wo sie für den privaten Gebrauch angeboten werden. Marcel legt dann noch Filter und Effekte darauf, und schneidet sie zurecht. Er hat sich alles selber beigebracht.
Über die Jahre weiterentwickelt
In den Texten verarbeitet Marcel das, was ihn aufregt oder beschäftigt. Er lässt aber auch die im HipHop üblichen Themen wie Lifestyle und Fashion nicht aus. Sich selber zu repräsentieren, anzugeben und zu zeigen, was man hat, „das kommt in Deutschland nicht so gut an, ist in Amerika aber ganz normal”. Songs sind für Marcel immer Momentaufnahmen: „Wenn ich mir einen Song ein Jahr später anhöre, weiß ich genau, wo ich damals stand und wie ich mich gefühlt habe“. Marcel sucht auf YouTube auch nach unbekannteren Rappern und bietet ihnen an, ihre Songs zu überarbeiten.
Ab in die Hauptstadt
Mit der Songüberarbeitung verdiente sich der beim Besuch noch angehende Mediengestalter etwas Geld dazu. In diesem Sommer ist „Mercy“, nach abgeschlossener Ausbildung, mit seiner Freundin nach Berlin gezogen. Er versucht, dort auch musikalisch Anschluss zu finden: „Da kommt der beste deutsche Rap her.“ Dort ein Studio zu haben und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, das würde ihm gefallen.