Oldenburg Normalerweise folgen Mathematiker keinen Nachrichten aus dem Himmel. Ausgerechnet ein Blick nach ganz oben allerdings hat Otto Krippners Leben verändert. Ende der 80er-Jahre hat der inzwischen pensionierte Pädagoge den Kopf in den Nacken gelegt und über der Wüstinger Wohnsiedlung einen Heißluftballon vorbeischweben sehen. „Das will ich auch“, schoss ihm durch den Kopf. Einmal selbst so ein Ding bauen und damit in die Luft – sollte doch nicht so schwer sein, dachte er damals etwas naiv.
Fliegen macht Schule
Und so hat der Mathematik- und Sportlehrer dann im Rahmen einer Projektwoche am Neuen Gymnasium Oldenburg mit seinen Schülern einen Heißluftballon entworfen, konstruiert und steigen lassen. 36 Jugendliche und vier Lehrer haben an der acht Meter hohen Modellversion gearbeitet. 6000 D-Mark hat die Idee samt Genehmigungen und TÜV gekostet. Unbezahlbar für Otto Krippner: die pädagogischen Nebenwirkungen. „Physik, Mathematik, Handwerk – die Schüler haben eine Menge gelernt“, schwärmt er. Für den 69-Jährigen selbst war es der Beginn einer großen Freundschaft, der er jetzt ein kleines Denkmall setzt. „Heiße Luft in bunten Hüllen“ ist der Titel einer Soloausstellung im GSG-Atrium, die Fotografien faszinierender Heißluftballons zeigt. Aufgenommen hat der Oldenburger die fliegenden Schlösser, Micky-Mäuse, Drachen, Ottifanten, Superhelden und Tiere bei den unzähligen Ballonfahrttreffen und -meisterschaften, die er im Laufe seiner 30-jährigen Leidenschaft besucht hat.
Bis 2007 war Otto Krippner als Observer für die Einhaltung von Wettbewerbsregeln verantwortlich, kontrollierte, ob die teilnehmenden Ballonfahrer sich an Vorgaben wie bestimmte Höhen oder das Nicht-Berühren von Bäumen hielten – und wie nah sie schließlich am Ziel landeten, beziehungsweise ein farbiges Sandsäckchen zur Markierung abwarfen. Hineingeraten war der Oldenburger in die Schiedsrichterszene über die Frau eines Bremer Piloten, mit dem er 1989 seine erste Ballonfahrt unternahm. Einen Lehrgang später reiste er um den ganzen Globus, zu den größten europäischen Treffen, Massenstartweltrekorden, bei denen über 430 Heißluftballons gleichzeitig starteten, in die USA, nach Australien oder zur WM in Japan. Mit fortschreitender Technik und Digitalisierung ist der Nebenberuf des Pensionärs „überflüssig“ geworden, wie er es selbst formuliert: Blackbox, Satellit und GPS haben die Observer abgelöst. „Was fehlt sind Helfer für den Ballonstart“, sagt der 69-Jährige. Das übernehmen Smartphones und Computer nicht. Mindestens vier Leute braucht man zum Aufrüsten. Dafür stellt sich Krippner mit Begeisterung zur Verfügung.
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Aktuell ist er in Warstein, beim jährlichen größten europäischen Ballonfahrttreffen. Wegen Wind und Regen sei vieles abgesagt, erzählt er am Telefon. In die Luft gegangen ist er trotzdem schon. Auf rund 120 Fahrten blickt er mittlerweile zurück. Einmal hat er an einer Nachtfahrt bis zu den Ostfriesischen Inseln, kurz vor Borkum teilgenommen. Vor ein paar Tagen ist er mit 50 Stundenkilometern vom Sauerland aus über Kassel gefegt und hat seine einstige Heimat von hoch oben wiedererkannt.
Ballonfahren sei eines der letzten, wirklich großen Abenteuer, sagt Otto Krippner. „Du weißt nie, wo du landest.“ Aus einem Haufen Stoff entwickle sich plötzlich ein Einfamilienhaus-großes Gerät, angetrieben vom Wind. Einige in absonderlichen Formaten. Schlösser oder Kühe seien mehr was fürs Auge als für lange Fahrten, weiß der Kenner. Fotografisch festgehalten hat er sie alle.
Nicht müde zu träumen
Weil es aber nicht nur auf die Größe ankommt, widmet sich Otto Krippner auch ausführlich den Modellvarianten mit sechs bis acht Metern Höhe, die ferngesteuert gen Himmel steigen. Ende September wird sich der Pensionär beim Modellballontreffen im Baden-Württembergischen Brigachtal daran satt sehen. Vor Beginn seines Ruhestandes hat er in einer Schul-AG mit Gymnasiasten eigene Mini-Exemplare gebaut. Mit einer Gasluftballonfahrt im letzten Jahr hat Krippner sich einen der letzten offenen Wünsche erfüllt.
Was noch fehlt, ist eine Reise nach Texas. In Albuquerque wird jährlich die „International Balloon Fiesta“ gefeiert. Bei dem weltgrößten Ballonfestival sind über 100 Sonderformate zu bestaunen. „Der Traum eines jeden Ballöners“, sagt der Oldenburger. Seit 30 Jahren führt er ein Leben voller Höhenflüge.
Hätte der Lehrer damals, im heimischen Garten nicht nach oben geblickt, wäre er nie so weit aufgestiegen. Nachrichten aus dem Himmel folgt der Mathematiker immer noch nicht. Der Traum vom Fliegen hat sich trotzdem erfüllt. Eröffnet wird die Foto-Ausstellung „Heiße Luft in bunten Hüllen“ an diesem Donnerstag, 19 Uhr, im GSG-Atrium an der Straßburger Straße 8. Zu sehen sind die Werke bis 6. November – Montag bis Mittwoch von 8 bis 16.30 Uhr, Donnerstag von 8 bis 17 Uhr und Freitag von 8 bis 13 Uhr.