Oldenburg Eine Frau und ein Mann küssen sich bei einem Picknick. Daraufhin beginnen auch die Nachbarin und der Nachbar sich zu küssen – demonstrativ ausgiebig, mit Zunge und dann auch noch einem Speichelfaden an den Lippen. Alle vier Nachbarn tragen Zahnspangen, obwohl sie schon längst erwachsen sind. Sie küssen sich und küssen sich, bis die Frauen merken, dass sie sich vertan haben: Sie haben beim Knutschen den falschen Mann erwischt, schnell tauschen!

Komisch und zugleich verstörend: Szenen wie diese gibt es viele in „Greener Grass“ (USA 2019). Sie versetzen einen in Staunen, gleichzeitig kann man über sie lachen. In der US-Satire von Jocelyn DeBoer und Dawn Luebbe geht es um eine mittelständische Vorstadt-Nachbarschaft, in der alles perfekt scheint, aber in der alles noch schöner, reicher und erfolgreicher werden soll. Die Konkurrenz zwischen den benachbarten Paaren steigert sich schnell ins Groteske. Das Streben nach den besten Zähnen, dem meisten Sex und dem musikalischsten Kind sind wichtiger als Familienglück, wahre Gefühle und innige Beziehungen.
Auslöser der albtraumhaften Geschehnisse in diesem grellen Paradies für Fußballmamis und ihre charakterlosen Ehemänner ist eine absurd-großzügige Geste: Jill (Jocelyn deBoer) schenkt ihrer Nachbarin Lisa (Dawn Luebbe), die ihr in vielen Fragen des Lebens ein Vorbild ist, ihre neugeborene Tochter. Die Szene ist schockierend und faszinierend zugleich. Nach und nach beginnt Lisa sich Jills Leben zu eigen zu machen. Wird Jill ihr altes Leben zurückbekommen? Oder wird sie sich aus den „Greener Grass“-Zwängen befreien können? Eine schräge Szene folgt auf die andere, während Jills Mann Poolwasser aufbereitet, ein Serienkiller sein Unwesen treibt und Lisa mit einem Fußball schwanger ist.
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Beobachtet wird der ganze Zirkus aus Babypartys und Bowlingabenden von einem Stalker, den man nur hört, aber nie sieht. Er stellt die Distanz zum Geschehen her, was den Film aber auch nicht zugänglicher macht. „Greener Grass“, der an „Desperate Housewives“ oder auch „Die Frauen von Stepford“ (1975/2004) erinnert, ist maßlos überzogen und zumindest einem europäischen Publikum schwer zumutbar.
Der einzige Lichtblick im Film ist Jills Wunsch, ihre Tochter von Lisa zurückzubekommen. Diese Sehnsucht wird immer stärker inmitten der höflichen Gefühlskälte und ist geradezu eine Erleichterung für den Zuschauer – weil sie ein wahres Gefühl ist. Ansonsten ist „Greener Grass“ ein furchterregend-kitschiges unrealistisches Nachbarschaftsgemälde, das amüsiert, überrascht und schockiert, aber eine Hochglanz-Gesellschaft zeigt, die selbst für eine Satire zu platt ist.
Auch in einer schwarzen Komödie sollte es Momente der Identifikation, Parallelen zur eigenen Lebenswirklichkeit geben. Kaum zu glauben aber, dass selbst der Bewohner einer ach-so-gruseligen amerikanischen Vorstadt-Nachbarschaft sich irgendwie in der „Greener Grass“-Welt wiederfindet.
Filmvorführungen von „Greener Grass“ sind am Samstag, 19 Uhr, und Sonntag, 16.30 Uhr, im Cinek/Studio.