Oldenburg Natürlich darf ein jeder zu Oldenburg stehen, wie er mag – aber bitteschön: Unser schönes nordwestdeutsches Städtchen gleich mit den Worten „Hass“ und „Packzeug“ in direkte Verbindung zu setzen? Nein, das kann sich doch nun wirklich niemand erlauben! Nun ja ... außer vielleicht der olle Goethe. Dass der Dichterfürst durchaus eine Beziehung zu Oldenburg hatte, diese aber vielleicht nicht ausschließlich von Harmonie und Liebe geprägt war, weiß halt nicht jeder. Sein literarisch nicht minder begeisternder Kompagnon Friedrich Schiller wusste das schon.
„Ich wünsche Ihnen einen recht guten Humor und eine recht derbe Faust, wenn Sie auf die irenische Einladung antworten!“, hatte Johann Wolfgang von Goethe am 19. März 1802 seinem engen Freund als Warnung wie Empfehlung geschrieben. „Es wäre recht schön, wenn Ihnen ein Epistel glückte, die auf alle das Packzeug paßte, dem ich immer größeren Haß widme und gelobe.“
Spannende Anekdoten
Was dem laut Forsa-Umfrage „größten Deutschen“ so übellaunig aufstieß, war der Oldenburger Jurist und Schriftsteller Gerhard Anton von Halem. Dieser hatte zwischen 1801 und 1806 eine kleine oldenburgische Monatsschrift namens „Irene – Eine Zeitschrift für Deutschlands Töchter“ herausgegeben, für eine öffentlichkeitswirksame Mitarbeit an der eher wenig beachteten Sammlung mehr oder minder literarischer Ergüsse die beiden großen Dichter zu gewinnen versucht. Mit ganz offensichtlich geringem Erfolg. Schiller konterte: „Es ist eine wahre Bestialität, daß diese Herren, welche das Mögliche versuchen, uns zu annihilieren, noch verlangen können, daß wir ihre Werke selbst fördern sollen!“
Es sind Anekdoten wie diese, die Katrin Henzel vom Institut für Germanistik der Carl-von-Ossietzky-Universität reizen, die Gunda Onken (Buchhandlung Thye am Schlossplatz) begeistern dürften. Unter anderem. Die genannten beiden sind Teil des kleinen Vorstands einer heutzutage doch eher ungewöhnlichen Gruppe. Ihr Name: „Goethe-Gesellschaft, Ortsvereinigung Oldenburg“.
Zuhören ist nicht jedermanns Sache
55 Mitglieder sind dieser derzeit noch verschrieben, von einstmals 120. Ein herber Verlust, der vor allem in Paragraf 4a der Satzung begründet zu liegen scheint. Dort heißt es: „Die Mitgliedschaft endet mit dem Tod des Mitglieds“ – eine Problematik, die viele Vereine landauf landab schwer trifft. „Es will sich ja niemand mehr binden oder engagieren“, sagt da Schatzmeister Gisbert Koch. „Oder einfach mal hinsetzen und zuhören? Das ist ja nicht jedermanns Sache“, ergänzt Kristin Eilert.
Nein, die Zeiten leidenschaftlicher Bindungen und kultureller Glückseligkeiten liegen schon länger zurück. Wo permanente Beschallung und „Events“ gefordert werden, wo das Handy über den Tagesrhythmus regiert, bleibt für geistige Ergüsse wenig Raum, wenig Zeit. Um sich dort nicht zu verlieren, hat sich der Verein seine Bestimmung in die Satzung geschrieben. Laut Paragraf 2 hat sich „die Goethe-Gesellschaft Oldenburg zur Aufgabe gesetzt, Wissenschaft und Forschung sowie Kunst und Kultur allgemein im Sinne Goethes zu fördern und zur vertieften Kenntnis Goethes, seines Umfeldes und seiner Bedeutung für die Gegenwart beizutragen.“
Kein Mangel an Kontakten
Und eben dies funktioniert halt nicht übers Hören-Sagen, sondern über gemeinschaftliches Tun, über Lektüre, über Exkursionen. „Das ist ja nur was für Liebhaber“, ist man da schnell geneigt zu sagen. Aber bitteschön – um Liebe geht es doch immer im Leben. Um Wissen, um Gutfühliges. Dies alles teilte Goethe im Übrigen auch mit Oldenburgern. Wilhelm Tischbein, herzoglicher Hofmaler, war in Italien sein Hausgenosse und Führer, mit Oberkammerherrn Alexander von Rennenkampff schrieb er sich, Theodor von Kobbe („Heil dir, o Oldenburg“) und Hofmaler Ludwig Philipp Strack besuchten ihn, Prinz Paul Friedrich August traf er nicht minder. Unter anderem. Sprich: An Kontakten in Oldenburg mangelte es ihm nicht.
Seiner ihm nachfolgenden Gesellschaft aber schon. „Wir versuchen, neue Formate auszuprobieren“, sagt Katrin Henzel. Um junge Menschen zur Teilnahme zu motivieren, müht man sich aus der Komfortzone des Frontalvortrags heraus. Auch Lehrer an hiesigen Schulen seien angefragt und über die Möglichkeiten der aktiven Lehre informiert worden – eine Resonanz habe es aber nicht einmal von ihnen gegeben, so heißt es hier enttäuscht. Die Gesellschaft überaltert halt, Nachwuchs ist schwer zu finden – das gilt insbesondere für die Oldenburger Goethe-Dependance.
Mal werden 10, mal aber auch 30 Teilnehmer bei den Veranstaltungen gezählt. Je nach Thema, je nach Begeisterungswert. Etwa ein Fünftel der mehr oder minder aktiven Mitglieder seien an der Universität eingeschrieben. Ob’s noch einmal mehr werden? Man hoffe, so heißt es aus der Runde. Möglichkeiten gebe es angesichts des Jahresprogramms ja durchaus genug. Um es mit Goethe zu sagen: „Man säe nur, man erntet mit der Zeit.“ (Faust II)