Allen Unkenrufen zum Trotz erweist sich in unserer schönen neuen Digitalwelt das gute alte Buch als standhaftes Medium. In einer originellen Collage aus Aphorismen, Kurzessays, Glossen, Miniaturen und Denkbildern liefert der Wissenschaftshistoriker Michael Hagner allerlei Gründe, warum „Die Lust am Buch“ von Computern nicht ersetzt werden kann. Es geht um Leseerfahrungen und ums Büchersammeln, aber auch um den Prozess des Schreibens, ohne den es ja keine Bücher gäbe. Ein Muss für Leseratten und Bücherwürmer! (Michael Hagner: „Die Lust am Buch“. Insel-Bücherei 1464, 14,-)
Der Philosophieprofessor John Kaag stößt in New Hampshire auf die vergessene Bibliothek eines verstorbenen Kollegen. In verstaubten Regalen und unter vermodernden Stapeln findet er bibliophile Schätze: über Handschriften von Walt Whitman und Robert Frost bis hin zu Erstausgaben bedeutender europäischer Dichter und Denker. Der Professor lässt die Bücher restaurieren und skizziert damit eine Reise durch die Geistesgeschichte Amerikas und seine Verknüpfungen mit Europa. Eine Studentin assistiert ihm bei der Arbeit im Bücherhaus, womit sich die Sache natürlich in eine nicht nur philosophische Liebesgeschichte verwandelt. (John Kaag: „Das Bücherhaus. Eine philosophische Liebesgeschichte“, btb 71889, 11,-)
Als einen Sehnsuchtsort fantasierte sich der exzentrische Dichter Charles Baudelaire eine Mischung aus Museum und Bordell. Am Ende stellte sich dieser utopische Ort als das Land der „absoluten Literatur“ heraus, eine Wunschprojektion, die in Baudelaires Werk zum Ereignis wurde. Roberto Calassos anregendes Mosaik aus Anekdoten, Gedicht- und Bildinterpretationen, Geschichten und Gerüchten macht das Paris Baudelaires auf eine Art und Weise lebendig, die an Walter Benjamins „Passagenwerk“ erinnert. (Roberto Calasso: „Der Traum Baudelaires“, st 5034, 22,-)
Sehr viel handfester, zugleich aber naiver, waren die Träume, denen 1918/19 in der Münchner Räterepublik Künstler, Dichter und Intellektuelle nachhingen. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs schien das Paradies auf Erden nah, zumindest aber Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Die Träume zerstoben im Kugelhagel weißer Freikorps, die Dichter wurden ermordet oder inhaftiert. Der Literaturkritiker Volker Weidermann erzählt diese Episode deutscher Geschichte als ein Scheitern des Geistes an der Macht. (Volker Weidermann: „Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen“, btb 71648, 12,-)
Klaus Modick über Literatur, Dichter und bibliophile Schätze