NEW YORK Ihr aufbrausendes Temperament ist berüchtigt, der Sarkasmus gefürchtet, Schwäche zeigt sie nicht: Wenn Victoria Iphigenia Warshawski einen Kriminalfall annimmt, dann bringt sie ihn zu Ende koste es, was es wolle. V I, wie die eigenwillige Protagonistin aus Sara Paretskys Erfolgsromanen genannt wird, stellte 1982 mit ihrem Auftreten in Schadenersatz die Krimiwelt auf den Kopf. Paretsky wurde zur Feministin im männerdominierten Genre. Am 8. Juni wird die Autorin 65 Jahre alt das Schreiben und ihre Protagonistin V I liebt sie nach wie vor.
Dabei ist mir V I überhaupt nicht ähnlich, erklärt Paretsky. Im aktuellen Buch, an dem Paretsky gerade schreibt, werde V I beispielsweise von Drogendealern angeschossen. Selbst wenn sie Angst hat, bleibt sie cool und feuert mit Pistolenkugeln auch ein paar clevere Bemerkungen ab, sagt die Autorin. Ich wäre wie gelähmt und würde weder reden noch schießen.
Und doch: Die Sätze, die die athletische Privatdetektivin aus Chicago Ganoven um die Ohren haut, könnten auch aus dem Mund der quirligen Autorin kommen. Paretsky hat mit 65 nichts an Attraktivität verloren. Die weißgrauen Haare sind stylisch, die blauen Augen, ihr ansteckendes Lachen und der schnelle Humor sympathisch.
Und wenn es um Genuss geht, sind Autorin und Buchfigur auf einer Wellenlänge. Sie teilt meine Leidenschaft für wirklich guten Espresso. Wir haben eine Schwäche für Designerkleidung und italienische Opern, gesteht Paretsky. Es sind die Kontraste, die ihrer Kunstfigur in über einem Dutzend Werken zur großen Fangemeinde verhalfen. V I, auf der Leinwand von Kathleen Turner verkörpert, ist eine hübsche Brünette, die all das tut, was man bis dahin von den männlichen Helden der Detektivromane gewohnt war.
V I trinkt, isst gern deftig, hat keinen festen Lebenspartner und bricht auch mal illegal ein. Das Mundwerk ist eine ihrer Waffen. Ihre Selbstständigkeit ebnete den Weg für Krimi-Charaktere wie Lisbeth Salander oder Stephanie Plum. Paretsky konzentrierte sich nicht nur auf ihre Karriere. 1986 rief sie Sisters in Crime ins Leben, eine Organisation, die Krimiautorinnen unterstützt. Die deutschsprachige Sektion heißt Mörderische Schwestern.