Oldenburg Das Vorspiel auf dem Theater fand in Reihe 2 des Spielraums statt. „Hallo“ begrüßte das Zuschauerkind außerplanmäßig den Schauspieler Simon Dietersdorfer kurz vor Beginn von „Andersland“, der überrascht, aber freundlich „Hallo“ erwiderte.
So gehört sich das. Wer ankommt, wird begrüßt. Wer ankommt, ist aber auch zuvor weggegangen – und genau darum geht es in dem Objekttheaterstück, das am Sonntag im Oldenburgischen Staatstheater die beeindruckende Uraufführung erlebte.
Die Inszenierung mutet ihrem durchweg jungen Publikum viel zu, denn Regisseurin Sara Ostertag und Dramaturgin Anna-Teresa Schmidt trauen sich etwas: die Darstellung des täglichen Flucht-Wahnsinns in dieser Welt. Ihr Theaterstück ab 7 Jahre funktioniert genauso gut für Erwachsene ohne Altershinweis – und auch als Denkanstoß für manchen verirrten AfD-Sympathisanten.
Das Junge Staatstheater Oldenburg hat gemeinsam mit Makemake Produktionen aus Wien eine Geschichte von Abschied und Ankunft aufs Wesentliche reduziert. Weggehen und Ankommen haben hier niemals den niedlichen Duktus von „Oh, wie schön ist Panama“: Das Ziel ist hier der Weg, und wer geht, lässt seine Biografie zurück. Die Darstellung der Flüchtenden – tief ergreifend dargestellt von Helen Wendt – wird glänzend begleitet von Christian Schlechters und Simon Dietersdorfers multifunktionalem Spiel.
Geboten werden abwechselnd Performance, Puppenbühne, Scherenschnitt, Sprech- und Tanztheater; Gesang, Rap und Sampling stammen von Keyboard und Laptop oder kommen übers Mikrofon. Vieles passiert gleichzeitig auf der Bühne, die 50 Minuten Spieldauer gönnen den drei Darstellern kaum eine Atempause. Und wer früher in der Schule unter der minimalistischen Darstellungsform eines Overhead-Projektors litt, wird erleben, was man Spannendes damit machen kann.
Das Thema ist nie trivial, die Brutalität als Metaebene wird durchgezogen. Flucht ist nicht lustig. Für Heiterkeit und Intimität werden aber viele Nischen geschaffen. Das Dargebotene reicht jederzeit aus, um die Fantasie anzuregen und sich den Rest auszumalen. Das Konzept von Christian Schlechter und Birgit Kellner, die für Bühne, Kostüme und Figurenbau verantwortlich zeichnen, ist nahezu perfekt.
Das im puristischen Rahmen des Spielraums erstmals präsentierte Stück „Andersland“ erhielt den verdienten langen Beifall der Zuschauer – und Ausrufe ehrlicher Begeisterung, was in der Theaterwelt um 12 Uhr mittags eher ungewöhnlich ist.
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