Oldenburg Wenn am jährlichen „Zukunftstag“ die Mädchen und Jungen ins Museum strömen, gibt sich Dr. Marcus Kenzler vorsichtshalber als „eine Art Sherlock Holmes“ aus, um die Kinder nicht mit Bezeichnungen wie „NS-Raubgut“ zu überfordern. Doch kürzlich war der Provenienzforscher am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg doch einigermaßen verblüfft, als ihn zwei Siebtklässler gezielt und mit Kennermiene nach Objekten aus der „Rothschild-Sammlung“ fragten. Das war kein Thema in der Schule, sondern Folge eines Fernsehabends: Sie hatten den Film „Monuments Men“ mit George Clooney gesehen.
So fragwürdig Kenzler den Umgang Hollywoods mit der Historie auch findet, mitunter bietet der Film bei Führungen einen vereinfachten Zugang zu einem komplexen Forschungsfeld an. Diese Aufgabe soll gewissermaßen auch der europaweite „Tag der Provenienzforschung“ erfüllen, der erstmals an diesem Mittwoch stattfindet und an dem sich mehr als 60 Kulturinstitutionen in Deutschland, Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz beteiligen.
270 Provenienzforscher gibt es in Europa, darunter knapp 200 in Deutschland. Seit 2011 ist Kenzler in dieser Funktion am Landesmuseum beschäftigt. „Damals war ich Nummer 34“, sagt der 46-Jährige. Vieles sei inzwischen erreicht worden, vieles habe sich geändert, aber gemessen an der Zahl der relevanten Häuser gebe es immer noch zu wenig Provenienzforscher. Zumal sich immer weitere Zielgebiete auftun, etwa die Erforschung von Raubgut aus der Zeit des Kolonialismus oder auch des Sozialismus nach 1945.
Dabei steht die Provenienzforschung unter immensem Zeitdruck. „Man hätte viel früher anfangen müssen“, betont Kenzler, „schon in den 50er Jahren, aber damals wollte man nur in die Zukunft schauen.“ Nun gestalte sich die Spurensuche immer schwieriger. Gleichwohl sieht er die Museen, „in der Pflicht“, alles zu versuchen, die rechtmäßigen Eigentümer von verfolgungsbedingt entzogenen Sammlungsbeständen ausfindig zu machen und die Objekte zu restituieren. In zwei Fällen ist es ihm bisher gelungen: im Jahr 2014 und zuletzt 2018. Im vergangenen Jahr konnte die Herkunft eines Renaissance-Schrankes aus den Niederlanden geklärt werden. Er stammte aus dem Besitz des international tätigen Kunsthändlers Jacques Goudstikker (1897–1940), wurde seinerzeit vom Gründungsdirektor des Landesmuseums Walter Müller-Wulckow angekauft und nun von den Erben des Kunsthändlers zurückerworben.
Ein Erfolgserlebnis, das ein wenig darüber hinwegtröstet. dass die eigene, regionale „Raubgut“-Sammlung von drei Museen in Oldenburg und Jever bisher auf wenig Resonanz gestoßen ist. Kaum ein Dutzend privater Objekte aus ehemals jüdischem Besitz haben den Weg in diese besondere Sammlung gefunden. Doch Marcus Kenzler ist vorsichtig optimistisch, dass an diesem Mittwoch doch noch ein paar Hemmschwellen fallen und Privatleute mit „heiklen Erbstücken“ in die Sprechstunde ins Prinzenpalais kommen – und sei es nur, um sich zu informieren. Bis Montagvormittag allerdings hat Kenzler erst vier Anmeldungen gezählt.