Oldenburg /Dangast /Köln Wer es flapsig ausdrücken wollte, müsste schreiben: Franz Radziwill (1895–1983) hat gerade „einen Lauf“. Seit jüngster Zeit hängen Werke von ihm in der Münchner Pinakothek der Moderne und im Frankfurter Städel, im vergangenen Jahr wurden vier seiner Werke in der „Neuen Galerie New York“ ausgestellt, 2015 kam eines seiner Gemälde, „Die Zeit des Falterfluges“, im Kölner Auktionshaus Van Ham für 80 000 Euro unter den Hammer. Dort übertrifft man sich gerade selbst: Am 29. Mai werden gleich sieben Arbeiten des Dangaster Malers versteigert.
Magische Welten
„Das gab’s noch nie“, sagt der Kunstwissenschaftler und Radziwill-Kenner Dr. Gerd Presler. Die sieben Bilder – zwei Landschaften und fünf Stillleben – stammen aus der Sammlung des Oldenburger Arztes Dr. Georg Düser (1888–1982), der über Jahrzehnte mit dem Maler befreundet war.
Nachdem er im März 1923 zwei Bilder an einen japanischen Sammler verkauft hatte, erwarb Radziwill in Dangast in der Sielstraße 3 ein kleines Fischerhaus und baute es zum Atelier um. Auch den Oldenburger Arzt Düser zog es an den stürmischen Ort. Die beiden lernten sich kennen, und schon bald kaufte sich auch Düser ein Haus in Strandnähe – der Anfang einer wunderbaren (und lebenslangen) Freundschaft.
Der Arzt „ließ sich ein auf die magischen Welten des ,neusachlichen‘ Malers“, schreibt Presler im Ausstellungskatalog. Schließlich hingen 46 Gemälde an den Wänden seines Hauses, dazu Aquarelle und Zeichnungen. In der Schublade einer geschnitzten Schranktruhe, so Presler, der sowohl den Maler als auch seinen Sammler gut kannte, lag Radziwills Grafik. „Ich sah wie in einen Spiegel“, so habe Düser geschildert, was ihm in den Bildern seines Freundes begegnete. „Für mich stand er außer Konkurrenz.“
Die beiden Landschaftsgemälde, die in Köln versteigert werden, dokumentieren nicht nur die Dauer und Haltbarkeit dieser Freundschaft – „Die Elbe bei Pirna“ stammt von 1928, „Winter am Dithmarscher Siel“ aus dem Jahr 1941 –, sondern auch die stilistische Entwicklung des Malers. Während die Elblandschaft an die großen Romantiker erinnert, die Radziwill in den Dresdner Sammlungen gesehen hat, ist das Dithmarscher Siel ein typisches Beispiel für den „Magischen Realismus“ im Werk des Malers: Die Bedrohung lauert hinter dem Deich, ein Himmelskörper scheint eine Katastrophe anzukündigen.
Die Stillleben zeigen kleine, kaum beachtete Utensilien des Alltags – ein Tongefäß, eine niederländische Fliese an der Wand, einen aufgeschnittenen Apfel und Blumen – von Dahlien und Gladiolen bis zu wilden Stiefmütterchen und dem anspruchslosen Steinbrech (Saxifraga). Von den 46 Arbeiten in der Sammlung Düser, so Presler, gehörten 22 zur Gattung „Stillleben“. Es sind isolierte Motive in magischer Atmosphäre.
Preislich unterscheiden sich die Gattungen allerdings gewaltig: Während das Auktionshaus die Einstiegsgebote der beiden Landschaftsgemälde mit 60 000 bis 80 000 Euro beziehungsweise 30 000 bis 50 000 Euro angibt, liegen die Stillleben weit darunter zwischen 5000 und 20 000 Euro.
Die Präsenz von Radziwill- Werken in der Pinakothek und im Städel werde „sehr stark beachtet“, sagt Presler. Das könnte gewisse Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Sammler und Fans haben. Die Preisgestaltung bei Van Ham – „sehr moderat“ – wertet er als Beispiel für „strategisches Denken“. Die sieben Arbeiten jedenfalls, die aus der Enkelgeneration des Oldenburger Sammlers stammen, seien schon eine „obere Auswahl“.
Nähe zu Dürer
Ob die Kunstwerke eine Geldanlage sind? Darauf antwortet Presler zwar vorsichtig, aber optimistisch: Diese Bilder seien schließlich durch die Sammlung Düser gegangen, die in regelmäßigen Gesprächen zwischen Maler und Sammler gewachsen sei. Radziwill selbst habe sich gegen Ende seines Lebens „ziemlich breitbeinig hingestellt“ und gesagt: „Ich habe in meinem ganzen Leben kein schlechtes Bild gemalt“.
Es gebe auch schwächere Arbeiten, räumt Presler ein, aber auch in der Qualität, die bei dem Dangaster nur „mittel“ war, könne man jedem Bild etwas zutrauen. Gerade bei diesen Stillleben müsse man nicht mit Kopf schütteln, die hätten jedes für sich eine ganz eigene Note. Für den Katalog habe er zum Vergleich ein Stillleben von Albrecht Dürer herangezogen: „Da sehen Sie keinen Unterschied.“
Die Nähe zu Dürer zeige sich in besonderer Weise an dem schmalen Ölbild „Stiefmütterchen/Saxifraga und Viola tricolor“ aus dem Jahr 1930, auf dem die zarten Pflanzen vor blauweißem Himmel stehen. Die Stillleben seien „hüben wie drüben“ mit derselben Hingabe und Delikatesse gemalt. „Das ist Achtung vor der Schöpfung. Mehr geht nicht.“