München Porträts von Mächtigen oder Bilder aus Flüchtlingsunterkünften – Nähe, ohne Voyeurismus. Fotografin Herlinde Koelbl spiegelt in ihren Bildern die Gesellschaft wider. Oder genauer: den Menschen in seiner Gesamtheit. Das ist es, was in allen Arbeiten der berühmten deutschen Fotografin auftaucht, die am 31. Oktober 80 wird.
Herlinde Koelbl fing mit 37 Jahren an zu fotografieren. Damals bekam sie von einem Freund ein paar Filmrollen geschenkt. Sie machte Fotos von ihren Kindern beim Gummihüpfen. Sie habe sie aber nicht von oben herab fotografiert, wie Erwachsene auf Kinder schauen, erzählt Koelbl. Sie habe sich zu den Kindern ins Gras gesetzt und sei damit ein Teil von ihnen geworden.
Keine Distanz stattdessen Nähe und Vertrauen. Das ist es, was die Arbeiten von Herlinde Koelbl ausmacht. Wie sie das schafft? „Grundsätzlich gibt es kein Rezept. Man kann Kuchen backen nach Rezept, aber Nähe zu Menschen zu erzeugen, ist ganz individuell“, sagt sie.
Weltweit wurde Herlinde Koelbl mit ihren Porträts mächtiger Menschen bekannt. Zwischen 1991 und 1998 fotografierte sie Jahr für Jahr Personen aus Politik und Wirtschaft. Darunter Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer (Grüne) und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Bilder sind eine Studie, die zeigt, wie Macht die Menschen verändert. Mit Merkel verabredet sich Koelbl noch immer zum Fototermin.
Ein Projekt ist der Fotografin besonders wichtig: die „Jüdischen Porträts“. Auch sie sind ein Langzeitprojekt – über fünf Jahre entstanden. Sie wollte den Menschen, die den Holocaust überlebt hatten, ein Gesicht geben.
Herlinde Koelbl hat in ihren 80 Jahren viele bekannte Persönlichkeiten getroffen und ist dabei selbst zu einer Ikone der deutschen Fotografie geworden. Und dennoch denkt sie gar nicht daran aufzuhören. „Als Künstler denkt man nicht an den Ruhestand“, sagt sie, „man lebt in dieser Erfüllung.“
Aktuell arbeitet sie an einem internationalen Projekt. Mit Text, Foto und Video. Viel verrät Koelbl noch nicht. „Meine Haltung ist: Man muss immer erst tun, und dann kann man darüber reden.“ Darüber reden kann sie im Herbst 2020 – dann soll das Projekt ausgestellt werden.