Oldenburg Der am 23. April 1953 in Leipzig geborene Maler, Zeichner und Grafiker Johannes Heisig, Sohn des 2011 verstorbenen DDR-Malers Bernhard Heisig, legte im Wendejahr 1989 das vielsagende Bild „Novembergarten“ vor. Es gibt den Blick des Künstlers auf den Garten seines Dresdener Wohnhauses am Elbehang wieder. „Das Grundstück fiel nach hinten hin ab“, erinnert sich der Künstler und schildert, dass damalige Zeitgenossen angesichts der wild wuchernden Vegetation des Gartens gemutmaßt hätten, dass in dem Haus noch sowjetische Offiziere wohnten.
Es ist November, das sommerliche Grün der Bäume und Büsche ist längst einer spätherbstlichen Tristesse zum Opfer gefallen, die von Verfall und Vergänglichkeit kündet. Dichte Nebelschwaden tauchen die verwelkte, merkwürdig lautlose Gartenlandschaft in ein eisiges Grau, das beim Betrachten des Bildes unweigerlich frösteln lässt. Der Rasen ist mit Raureif bedeckt, der sich einem grau-weißen Laken gleich um das Haus legt, während das fahle Licht des Himmels keinen Zweifel daran lässt, dass der Winter nun kurz bevorsteht.
Der impressionistisch komponierte Bildraum er-wächst durch den pastosen Farbauftrag und den die Atmosphäre der Bildlandschaft unterstützenden expressionistisch-archaischen Duktus, der einer klaren Konturenführung entsagt und sich in verschleierten Formen und verwischten Farben auflöst. Das vorschnell konstatierte Idyll der Gartenszene, das eine gewisse Sinnlichkeit suggeriert, ist trügerisch und weicht, wie in nahezu allen Bildern des Malers, einer irritierenden Widersprüchlichkeit.
Der künstlerische Einfluss des prominenten Vaters ist kaum zu übersehen, und der Sohn, der Max Liebermann, Otto Dix, Lucian Freud und Tizian als weitere Inspiratoren nennt, musste gegen die „kraftvolle Geste“ des sozialistischen Historienbildes beständig anmalen. Beinahe zwangsläufig lenken der Bildtitel und das Entstehungsjahr des „Novembergartens“ die Aufmerksamkeit auf die historischen Ereignisse jener Tage, und es fällt schwer, den Gedanken an den Mauerfall vom 9. November 1989 nicht in die Analyse mit einzubeziehen. Die Grundstimmung der Wendezeit spiegele sich zweifelsohne in der Gartendarstellung wider, doch sei sie nicht programmatisch angelegt, so der Künstler über sein Werk.
1995 wurde der „Novembergarten“ für das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte erworben, wo es derzeit im Rahmen der vom Kulturspeicher Oldenburg ausgerichteten Ausstellung „Johannes Heisig. Augenmaß“ zu sehen ist.