Diepholz Hagen Günzel ist Experte für Knistern, Knacken und Rauschen. Vor ihm drehen sich die Plattenteller unaufhörlich. Er und seine Kollegen arbeiten mit Kopfhörern an vier Arbeitsplätzen in einem schallgedämpften Kontrollraum in einem der letzten großen Vinyl-Presswerke Europas, der Pallas GmbH in Diepholz. Schlager, Pop, Rock, Klassik – auf musikalische Präferenzen kann bei der Laufkontrolle keine Rücksicht genommen werden. „Man muss nehmen, was kommt“, sagt Günzel lächelnd.
Wird ein Fehler entdeckt oder vermutet, wird der Plattenteller per Hand zurück- gedreht, die Stelle noch mal nachgehört. Entsprechend hoch ist der Nadelverschleiß am Plattenspieler. Wer den stillen Raum betritt, kann die leisen Töne hören, die von den jeweiligen Kopfhörern nach draußen dringen. Weiche Cello-Klänge mischen sich mit schrillen Heavy-Metall-Wummerschlägen. „Fünf Tage die Woche, in drei Schichten“, sagt Dominic Neumann. Er steht in dem Familienunternehmen für die vierte Generation. Sein Urgroßvater Karl gründete das Unternehmen 1948, Großvater Rolf führte es weiter, der Vater Holger Neumann übernahm die Leitung 2002. „Wir leben von Vinyl“, sagt der 33-Jährige.
Aus Diepholz in die Welt
Es gab Rückschläge wie am Ostermontag 2013, als die Fertigungshalle bis auf die Grundmauern abbrannte. Aber schon im Sommer 2014 ging die Arbeit in einer neue Halle weiter. Aus Diepholz werden Langspielplatten und Singles in die ganze Welt geliefert. Australien, USA, Asien und Europa.
5 bis 5,5 Millionen Scheiben werden bei Pallas jedes Jahr gepresst. Zu den Kunden gehören Major Labels oder auch kleine Bands, die bei der Erstauflage ab 500 Stück bestellen können. „Bei einer Nachauflage fangen wir auch bei 300 an“, sagt Neumann.
Die zwölf Pressvollautomaten sind teils aus den 1950er Jahren und im Dauerbetrieb. Vor einigen Jahren gab es aufgrund des Vinyl-Booms weltweite Produktionsengpässe. Die US-Heavy-Metall-Band Metallica sicherte sich deshalb in Diepholz eine Pressmaschine – oder besser gesagt deren Kapazität. Die Band kann bei Pallas immer pressen lassen.
Einfarbig oder bunt
Ob schwarz, einfarbig, mehrfarbig oder ganz bunt: das 140 Mitarbeiter zählende Unternehmen Pallas presst die 140 oder 180 Gramm schweren Scheiben nach Kundenwunsch.
Das Granulat wird gemischt, erhitzt, geformt und unter hohem Druck gepresst. Die Etiketten werden direkt mit dem heißen Vinyl verpresst. Danach wird der überstehende Rand geschnitten. „Eigentlich ist die Platte dann fertig“, so Neumann.
Die Schallplatte hat sich – drei Jahrzehnte, nachdem sie fast vollständig von der CD verdrängt wurde – als Sammelobjekt und Tonträger mit besonderem Klang attraktiv gehalten. „Es bleibt eine Nische, aber eine sehr schöne Nische“, so Florian Drücke, Vorstandschef des Bundesverbandes Musikindustrie.