Cloppenburg Über eine Ecke hat der Künstler ein Blatt Papier geklebt, auf das er mit der Hand einen Satz aus Hölderlins Hyperion geschrieben hat. Es ist die Stelle, an der Hyperion bedauert, von der Wissenschaft verdorben worden zu sein. „Bin nun so ausgeworfen aus dem Garten der Natur, wo ich wuchs und blühte, und vertrockne an der Mittagssonne.“
Der kleine Zettel mit dem Hyperion-Zitat gehört zu den funkelndsten in dieser an kostbaren Kristallen überreichen Schau des Zeichners, Malers und Bildhauers Peter Rüwe, die derzeit in der Kunsthalle Cloppenburg zu sehen ist. Unter dem Ausstellungstitel „Urformen“ hat Martin Feltes als Kurator für den Kunstverein Cloppenburg nicht nur Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus Rüwes intellektuell wie bildnerisch frappierend vielfältigem Werk beziehungsreich gefügt.
Schon das verheißt spannendes Entdecken, denn trotz konsequenter Beschränkung auf die Themen Mensch, Tier und Pflanze hat Rüwe im biomorphen Idiom ein schier überbordendes Formenvokabular entwickelt, über das er mit leichthändiger Jonglage und delikatem Farbempfinden artistisch gebietet.
Geometrische Bezüge
Dazu hat Feltes Rüwes Pflanzenbildern ausgewählte „Pflanzenurkunden“ des Foto-Pioniers Karl Bloßfeldt (1865-1932) beigestellt, Schwarz-Weiß-Fotografien von Pflanzenteilen voll von geometrischen Bezügen und ornamentaler Anmutung. Unterm Strich ergeben die 12 Fotografien, 39 Gemälde/Zeichnungen und 3 Skulpturen eine Ausstellung in der Art eines aufregenden Kaleidoskops, sich je nach Blickrichtung, Lichteinfall und gedanklichem Ansatz verändernd oder ineinander übergehend, blitzend, gleißend.
Sesshaft in Löningen
Auch einen Künstler wie Rüwe dürften die wenigsten der kundigen (oder sich dafür haltenden) Thebaner ausgerechnet in Löningen vermutet haben. Tatsächlich hat Rüwe Löningen zeitlebens nur selten verlassen, etwa zum Studium an der HfK Bremen, für Reisen in die Niederlande, nach Griechenland, Italien.
1955 in Löningen geboren, lebt und arbeitet er auch heute dort, naturnah in einem Atelier mit Blick auf die Hase. Von hier aus hat er eindrucksvolle Werke wie das Wandbild „Das grüne Quadrat“ in Oldenburg geschaffen; seinen Heimatort bereicherte er um die Monumentalplastik „Mann mit Schaf“.
Rüwe, im Umgang charmant und humorvoll, ist ein nachdenklicher Mensch, der seinen Hölderlin, Heidegger oder Nietzsche nicht weniger intensiv studiert hat wie die alten Meister, wie Klee oder Picasso. Die Begegnung mit Bloßfeldt – den er zuvor nicht kannte – und Feltes dürfte ihm zur Offenbarung geworden sein, denn Feltes arrangiert Bloßfeldts Fotografie und seine Malerei weder in (falscher) Vorher-Nachher-Manier, noch als wechselseitige Kommentierung.
kunstkreis-cloppenburg.de