Bremen Am Höhepunkt steht alles still. Mit aufgerissenen Augen wirft sich Maceo Parker vor hunderten hochfahrender Arme im Bremer Modernes in Pose, das goldglänzende Altsaxofon hat er über die Schulter gestemmt. „Off The Hook“ heißt das Stück, durch das er seine Band gerade getrieben hat: der Sound mal fiebrig quengelnd und zeternd, dann wieder buttrig glänzend. Maceo Parker ist nach kaum einer Viertelstunde der König im Ring – und aus der Puste. Etwas wackelig fischt er ein Schild mit dem Schriftzug „Love“ vom Boden und zeigt es dem Publikum, denn „It’s All About Love“ ist ja das Motto seiner Tour. Ein freundliches Motto. Nebenbei verschafft ihm der Griff zu dem Emblem ab und an eine Atempause.
Es mag Kraft gekostet haben, doch es war eine gute Entscheidung, das Konzert mit diesem Statement musikalischer Klasse und Spielfreude zu eröffnen. Falls es jemand vergessen hat: Keiner spielt den Funk mit der Autorität des inzwischen 76-jährigen Maceo Parker. Nachdem er die unbedingte Notwendigkeit zur Präzision unter dem Drill von James Brown inhaliert hatte, wurde er selbst zum Inbegriff dieses Stils und hat seither allen auf die Sprünge geholfen, die sich darin versucht haben, von Prince bis zu den Red Hot Chili Peppers. Kaum weniger erprobt sind die anderen Musiker auf der Bühne. Mit dem Bassisten Rodney „Skeet“ Curtis spielte Parker schon in der legendären Band Funkadelic zusammen; dort sammelte auch Posaunist Greg Boyer erste Meriten.
Mühelos grooven sich diese Könner durch zwei Stunden Programm. Parker setzt die Akzente: hier ein „Ha!“, dort ein „Hua!“ und immer wieder kleine Gaben aus dem Repertoire des Zeremonienmeisters: „the boogaloo – just for you.“ Über weite Strecken ist es allerdings mehr eine Soul-Revue als ein Funk-Konzert.
Glanzstücke sind darunter, wie das zarte „The Look of Love“, das Greg Boyers Posaune kaum weniger rührend umschmeichelt als ehemals der Gesang Dusty Springfields. Auch „That Lucky Old Sun“ gehört dazu, das Parker vor schummerigem Keyboard im Stile Ray Charles’ singt. Die Ray-Ban-Sonnenbrille und das charakteristische Zucken hätte Parker gar nicht nötig gehabt. Seine Stimme ähnelt der des großen Pianomanns und Bandleaders ohnehin. Zeilen wie „work like the devil for my pay“ klingen zudem tief empfunden. Auch der alte Johnny Cash hat diesen Song gesungen, allerdings nicht so warm leuchtend.
Freilich gibt es auch Plänkeleien in dieser Revue, etwa wenn die Band Sam Cookes „Wonderful World“ mit dessen „Everbody Loves The Cha Cha Cha“ verrührt. Marvin Gayes „Let’s Get It On“ bekommt vom Gitarristen Bruno Speight zwar ein schönes neues Kleid verpasst, doch aus dem Schatten des Originals löst sich diese Version nicht. Auch, weil es Maceo Parkers Gesang dafür an Schmelz fehlt.
Was soll’s, der Wechsel von Spannung und Entspannung gehört schließlich zur Dramaturgie. Das wird deutlich, als Parker Ray Charles’„Let The Good Times Roll“ andeutet und dann unvermittelt in den Drifters-Oldie „Under The Bordwalk“ abbiegt. Eine bewusst gesetzte Finte, denn kaum hat sich Parker grienend aus der Harmonie gedaddelt, peitscht er „Pass The Peas“ an, einen der großen Funk-Klassiker im Repertoire.
Ein weiterer Ray-Charles-Moment leitet dann den Abschied ein. Das Publikum darf „Somewhere Over The Rainbow“ mitsingen, bis Parker aus der Zeile „once in a lullaby“ neckisch ein „bye“ herauslöst. Ganz war es das noch nicht, Parkers Altsaxofon und Boyers Posaune gönnen sich sogar noch eine kurze gemeinsame Hetzjagd am Mikrofon. Mehr solcher pulsierenden Momente in einem ohnehin großartigen Konzert, und es wäre noch schöner gewesen.