Hardt: Es gibt bei einigen Führungsmächten dieser Erde, darunter auch die USA, starke Stimmen, die der Meinung sind, dass die Dinge besser im Alleingang zu regeln sind als in der Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Das ist ein schwerer Trugschluss. Wenn Europa und Amerika zusammenarbeiten, können sie mehr erreichen als jeder für sich. Das gilt gerade im Einsatz für einen faireren Welthandel und in dem Bemühen, Chinas Streben nach einer Vormachtstellung etwas entgegenzusetzen.
Hardt: Vor sechs Jahren schon haben der Bundespräsident, damals noch als Außenminister, und sein Amtsvorgänger Joachim Gauck versprochen, dass Deutschland bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das sollte nach ihren Vorstellungen in einem wachsenden europäischen Rahmen größerer sicherheitspolitischer Verantwortung der europäischen Union geschehen. Das ist in einigen wenigen Punkten tatsächlich erkennbar, aber keinesfalls so stark wie wir es bräuchten. Die Europäische Union muss in der Außen- und Sicherheitspolitik noch viel stärker mit einer Stimme reden und die Initiative ergreifen. So verstehe ich auch die Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er hat in München an die Europäer appelliert, mehr Verantwortung zu übernehmen, etwa in Afrika.
Hardt: Nein. Die Sicherheitskonferenz ist gerade in den heutigen Zeiten noch unverzichtbarer als ohnehin schon. Was hier an Gesprächen der Staats- und Regierungschefs von Zimmertür zu Zimmertür in kürzester Zeit möglich ist, lässt sich sonst nur mit großem Aufwand und vielen Flugreisen erreichen. Das ist ein intensives diplomatisches Speed-Dating. In einer immer unübersichtlicheren Welt ist das umso wichtiger.