Berlin Party im einstigen Siechenhaus: Wo vor 100 Jahren Todkranke gepflegt wurden, klatschen und johlen Liberale. Ein Jubel geht durch die FDP-Parteizentrale, als um 18 Uhr die Prognosen zur Niedersachsenwahl über die Bildschirme flackern. Geschafft. Wieder im niedersächsischen Landtag. Und wie! Parteimitglieder („ein Hammer“) prosten sich zu. Generalsekretär Patrick Döring drängt’s schnell vor die Mikrofone. „Heute sind wir alle Niedersachsen“, strahlt Döring mit rotem Gesicht. Ihm sieht man die Anspannung der letzten Wochen nur zu gut an.
„Ein Erfolg für Rösler“, hält der Generalsekretär den Kritikern entgegen, die die Ablösung des Parteichefs fordern. Wie Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der links fast an der Wand der Parteizentrale steht. Kleine Schweißperlen auf der Stirn, die Hand mit dem Rotweinglas zittert leicht: „Jetzt müssen wir die Personaldiskussionen beenden und einen Sonderparteitag möglichst schnell durchführen.“
Führungsdebatte
Sonderparteitag – wie ein roter Faden zieht sich dieser Vorschlag durch alle liberale Statements. „Ich bin für ein Team zur Bundestagswahl“, sagt Gesundheitsminister Daniel Bahr. Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen, Juli-Chef Lasse Becker, der Kieler Spitzenliberale Wolfgang Kubicki und Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow schlagen in die gleiche Kerbe. „Rösler ist der richtige Mann. Die Debatte um den Parteichef ist damit beendet“, sagt Zastrow.
Und Rösler selbst? Sein Gesicht schwankt zwischen Stolz („ein großer Tag“) und Kampfesmut: „Mit der Wahl der richtigen Themen und engagierter Arbeit kann man es schaffen“. Mit Blick auf die Bundestagswahl: „Das Rennen hat jetzt erst angefangen. Die Freien Demokraten werden jetzt loslegen.“ Versprechen oder Warnung an CDU-Kanzlerin Angela Merkel?
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe teilt sich eine süß-sauere Stimmungslage mit seiner SPD-Kollegin Andrea Nahles. Das Stimmen-Splitting von CDU-Anhängern für die FDP ärgert ihn offensichtlich. Gleiches gilt für den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Michael Grosse-Brömer. „Mir hat Einiges nicht gefallen“, bilanziert der Niedersachse. Trost gibt ihm, „dass die Bundestagswahl erst in einigen Monaten“ stattfindet, so Grosse-Brömer.
Auch Nahles fällt das so routinierte Dauerlächeln an Wahlabenden unabhängig vom Ergebnis schwer: „Wir müssen liefern, das muss besser werden in den nächsten Monaten bis zur Bundestagswahl.“ An Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lässt Nahles („Steinbrück bleibt selbstverständlich Kanzlerkandidat!“) ebenso wenig Zweifel wie Parteichef Sigmar Gabriel. „Das wird ein gutes 150. Jahr der SPD“, sagt Gabriel. Steinbrück räumt unter Applaus reumütig fehlenden Rückenwind für die Wahlkämpfer in Niedersachsen ein. Er wisse, dass er eine gewisse Mitverantwortung dafür trage.
Fehler ausmerzen
Steinbrück will nun Kampfgeist beweisen. „Die SPD wird sich unterhaken“, betont er. Das scheint auch nötig. „Es hat an Unterstützung aus Berlin für Niedersachsen gefehlt“, räumt SPD-Vize Manuela Schwesig ein – ohne Steinbrück direkt anzusprechen.
Während bei den Linken um die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger die Stimmung zwischen Frust und Enttäuschung schwankt, feiern die Grünen mit den Spitzenleuten Jürgen Trittin, Claudia Roth und Cem Özdemir „ein tolles Ergebnis“. „Wenn es bei der Bundestagswahl wieder gelingt, dann war es das mit Schwarz/Gelb“, blickt der Göttinger Trittin voraus. SPD und Grüne hätten „beide zugelegt“. Nur bei der Frage nach dem SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück weicht der so wortgewaltige Trittin aus: „Wir sind die Grünen.“