DRESDEN Für den sächsischen Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) ging es dieser Tage steil nach oben. Zum Auftakt seiner Sommerreise bestieg er den 415 Meter hohen Lilienstein in der Sächsischen Schweiz. Wer dabei sein wollte, musste früh aufstehen. Um 04.15 Uhr begann der Kampf um den Gipfel. Tillich wählte den Südaufstieg. Eine richtige Seilschaft musste er nicht bilden – die Gruppe aus etwa 30 Bergfreunden kam auf einem normalen Wanderweg nach oben. Kurz nach 05.30 Uhr ging die Sonne auf, kurz darauf verschwand sie wieder hinter Wolken. Auf die Begleitung hoher CDU-Funktionäre verzichtete Tillich – die Tour sollte nicht wie Wahlkampf aussehen. Dabei ist dieser Tage in Sachsen alles Wahlkampf, auch die Reise Tillichs in seinem Amt als Ministerpräsident.
Selbst Treffen mit Radfahrern in historischen Kostümen oder eine Fahrt mit der Fichtelbergbahn werden für den Regierungschef einer Großen Koalition mit der SPD inszeniert. Der Tag der Landtagswahl, der 30. August, ist nicht mehr fern.
Tillich empfängt auf seiner Tour viel Sympathie. Diskussionen um seine berufliche Karriere in den letzten Tagen der DDR hatten ihm zuletzt stark zugesetzt. Der 50-Jährige geriet schon Ende 2008 wegen seiner Arbeit in der DDR-Verwaltung in die Kritik. Tillich wird unter anderem vorgeworfen, auch dienstliche Stasi-Kontakte nicht angegeben zu haben, als er 1999 bei seinem Amtsantritt als Minister einen Fragebogen auszufüllen hatte.
Die Frage ist nun, ob die anderen Parteien Tillich und die DDR im Wahlkampf thematisieren. SPD-Generalsekretär Dirk Panter ist das gleichgültig: „Tillich muss selber wissen, wie er mit seiner Vergangenheit umgeht.“ Auch die FDP, die als möglicher Koalitionspartner der Union gehandelt wird, hält sich auffallend zurück. Die Grünen wählen einen anderen Ansatzpunkt: „Wir schauen nach vorn. Sachsens Kapital sind die Menschen mit ihrer Intelligenz und ihrem Engagement. 1989 gingen viele auf die Straße, weil sie neue Perspektiven suchten. Die Sachsen wollen jetzt, 20 Jahre später, wissen, wie es weiter geht“, betont Fraktionschefin Antje Hermenau. Deshalb werde man sich auf die Frage konzentrieren: Wie können
Wirtschafts- und Klimakrise überwunden werden? Auch die Linken wollen sich nicht vorrangig mit Tillichs Vita befassen, „sondern mit der verfehlten CDU-Politik“, sagt Spitzenkandidat Andre Hahn.
Und noch ein Thema bewegt den Wahlkampf: die NPD. Die großen Parteien fühlen sich in einem Anliegen vereint: Schwarze, Rote, Gelbe und Grüne wollen den Wiedereinzug der NPD
verhindern – kein leichtes Unterfangen. Denn in Umfragen liegt sie seit langem konstant bei Werten von fünf Prozent und mehr. Obwohl sich ihre einst zwölfköpfige Landtagsfraktion nach drei Austritten, Rausschmiss und anderen Personalwechseln seit 2004 selbst zerlegte, hat sie im Freistaat offenbar Stammwähler.
Untersuchungen, wonach jeder zweite Berufsschüler in Sachsen fremdenfeindliche Ansichten äußert, lassen das Ausmaß ahnen. „Die Existenz der Rechtsradikalen ist der einzige wirkliche, aber große Nachteil, den das Land Sachsen moralisch, aber auch im Standortwettbewerb mit anderen Regionen hat“, betont FDP-Landes- und Fraktionschef Holger Zastrow. Investoren, ausländische Fachkräfte und Touristen empfänden Vorbehalte, wenn sie Bilder von Nazi-Aufmärschen in Dresden sehen. „Das hat Sachsen nicht verdient. Und deshalb ist es wichtig, dass die NPD ins politische Nichts verschwindet“, beschwört der Liberale in seinen Reden.