Lambsdorff: Nein, noch müssen wir abwarten. Der Deal ist ein Erfolg, aber kein Durchbruch. Boris Johnson muss jetzt eine Mehrheit im Unterhaus organisieren, erst dann ist der Weg frei für einen geordneten Austritt. Nur hat er bisher die Vorschläge der Regierung seiner Vorgängerin Theresa May immer torpediert und muss jetzt die Geister, die er selbst rief, wieder einfangen. Ob ihm das gelingt, ist unsicher.
Lambsdorff: Mit dem Deal kann Großbritannien eine eigene Handelspolitik verfolgen und trotzdem bleibt Nordirland in einem Zollgebiet mit der EU. Damit ist Europa den Briten stark entgegengekommen. Manche behaupten ja, dass die EU nicht genug auf Großbritannien zugegangen sei. Das war schon immer Unsinn, ist jetzt aber hoffentlich endgültig vom Tisch. Entscheidend für die EU und Irland ist, dass es keine harte Grenze auf der irischen Insel geben wird. Es ist ein echter Kompromiss.
Lambsdorff: Das können wir alle nicht wissen, ich glaube, Boris Johnson weiß es selbst nicht. Er hat mit seiner eigenen Regierung ja keine Mehrheit im Unterhaus. 21 Tory-Abgeordnete sind aus der Partei ausgeschieden oder rausgeworfen werden. Dass die nordirische DUP Widerstand ankündigt, war zu erwarten. Am Ende wird es auch auf das Verhalten der anderen Parteien, gerade der Labour-Abgeordneten, ankommen.
Lambsdorff: Das erscheint mir leider wenig realistisch. Wenn das Unterhaus Johnsons Deal allerdings ablehnt, werden die Karten neu gemischt. Dann müsste er eine Verlängerung des Austrittsdatums beantragen und einen klaren Fahrplan für den geregelten Brexit entwerfen. Wahrscheinlich würde es auch Neuwahlen geben. Dann würde auch wieder über ein zweites Referendum geredet, aber wie das ausgeht, weiß heute niemand, weil die Labour Party intern so tief gespalten ist.