BERLIN BERLIN/DPA - Der am Montag auf zahlreiche Bundesländer ausgeweitete Streik ist der dritte große Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst der Nachkriegszeit. Anders als 1992 und 1974 ist der Arbeitskampf diesmal aber nicht flächendeckend und erfasst nicht alle Bereiche des Öffentlichen Dienstes. Auch der Bund ist nicht einbezogen.
Auf dem Höhepunkt des bislang härtesten Arbeitskampfes waren im Jahr 1992 zeitweilig mehr als 330 000 Arbeiter und Angestellte im Ausstand. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV) mit Monika Wulf-Mathies an der Spitze war mit der Forderung nach 9,5 Prozent mehr Einkommen und einem Zuschlag auf das Urlaubsgeld von 550 Mark in die Tarifverhandlungen gegangen. Die anderen Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes (Bahn, Post, Polizei) und die inzwischen wie die ÖTV in der Dienstleistungsgewerkschaft „Verdi“ aufgegangene Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) schlossen sich an.
Die öffentlichen Arbeitgeber boten zunächst nur 3,5 Prozent an und erhöhten dann auf 4,8 Prozent. Die Schlichtung scheiterte, am 26. April begann der Arbeitskampf. Einbezogen waren Müllabfuhr, Müllverbrennung, -deponien, öffentlicher Nahverkehr, Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Post, Postbank, Fernmeldeämter und Bahn.
Mitte Mai endete der Streik mit einer Schlappe für die ÖTV. Bei einer Urabstimmung stimmten nur 44,1 Prozent für den vereinbarten Tarifabschluss von 5,4 Prozent plus einer Einmalzahlung von 750 Mark und 200 Mark mehr Urlaubsgeld. Die Prozentzahl entsprach exakt dem von den Arbeitgebern verworfenen Schlichterspruch. Der ÖTV-Vorstand nahm am 25. Mai den Kompromiss an.
Der damalige ÖTV-Chef Heinz Kluncker hatte 1974 den bis dahin heftigsten Streik im Öffentlichen Dienst durchgestanden. Mit dem Streik soll er nicht unwesentlich zum Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) beigetragen haben. Die Gewerkschaften waren mit Einkommensforderung von 14 beziehungsweise 15 Prozent in die gescheiterten Tarifverhandlungen gegangen. Auf dem Höhepunkt des Streiks Mitte Februar waren 210 000 Menschen im Ausstand. Der Nahverkehr stand, die Müllabfuhr fuhr nicht mehr. Am 13. Februar einigten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf Einkommensverbesserungen von elf Prozent – mindestens aber 170 Mark.