Oldenburg Sie spielte frech und mutig, warf aus allen Lagen und erzielte sechs Treffer – und dazu hielt sie in der Abwehr an der Seite von Ann-Kristin Roller gestandene Nationalspielerinnen vom Torewerfen ab. Toni Reinemann erwischte am Mittwoch einen absoluten Sahnetag – und das gegen den deutschen Meister. Am Morgen noch hatte die 18-jährige Handballerin ihre theoretische Fahrprüfung bestanden, am Abend führte sie das Bundesliga-Team des VfL Oldenburg zum Punktgewinn gegen die SG Bietigheim – und war beim 25:25 mit sechs Treffern sogar die beste Schützin ihrer Mannschaft.
Dabei war es ihre erste Partie als Vertragsspielerin. Nachdem sie in den vorherigen vier Saisonspielen im von Verletzungen gebeutelten VfL-Team ausgeholfen hatte, erhielt Reinemann Anfang der Woche einen Kontrakt bis zum Saisonende. „Das spornt noch einmal an und man ist motivierter“, erklärte das Rückraum-Talent seine Leistung: „Es ist ja eine Wertschätzung für das, was man geleistet hat. Aber man will dann eben noch mehr leisten.“
Das ist der 18-Jährigen gelungen. Ohne Angst vor dem großen Gegner spielte sie munter mit, avancierte zu einer der besten VfL-Spielerinnen und erhielt bei der Pressekonferenz nach der Partie ein „großes Lob“ von der ebenfalls überragenden Torfrau Julia Renner, die nicht weniger als 13 Würfe entschärfte. Dass Reinemann hier und da Fehler unterliefen, konnten ihr ihre Mitspielerinnen genauso wie die 900 Zuschauer in der kleinen EWE-Arena wohl sehr gut verzeihen.
Im Gegensatz zu ihr selbst kurz nach dem Abpfiff, als sie mit einem Fehlpass in der Schlussphase haderte, in der die Bietigheimerinnen die 25:22-Führung des VfL noch hatten wettmachen können. Doch lange grämte sich Reinemann, die nach dem Spiel zahlreichen jungen VfL-Anhängerinnen Autogramme geben musste, nicht: „Jetzt gerade ärgern wir uns, morgen werden wir uns freuen“, resümierte sie.
Der Grund dafür ist klar: Eine Drei-Tore-Führung noch herzuschenken, ärgert jede Sportlerin erstmal. Doch ein Punkt gegen den deutschen Meister geholt zu haben, war natürlich weder eingeplant noch erwartet. Auch nach der überraschenden 7:2-Führung nach 13 Minuten noch nicht, die Bietigheim dann auch bis zur 20. Minute egalisierte.
Erst, als der VfL eine Viertelstunde vor Schluss wieder in Führung ging, witterte Reinemann die Sensation. „Bei Kathrin Pichlmeiers Tor über den Block – da sind alle in der Halle aufgesprungen, wir haben uns alle gepusht – das war ein geiles Gefühl. Da kam so richtig die Hoffnung auf, dass heute was drin ist“, erzählte Reinemann.
Pichlmeier selbst, die nach einer Daumenverletzung ihr Debüt im VfL-Trikot feierte, hatte dieses Gefühl schon früher: „Schon nach ein paar Minuten habe ich gemerkt: Wir sind gut drauf, und Bietigheim ist es nicht. Aber spätestens ab der 45. Minute war der Sieg zum Greifen nahe“, meinte die Rückraumspielerin. Und am Ende hätte er gar sein müssen, meinte Pichlmeier: „Wir müssen uns belohnen“, stellte die 23-Jährige fest, musste aber einsehen: „Zum Schluss sieht man, dass wir jung sind und unerfahren. Wir müssen da einfach die Ruhe bewahren.“
VfL Oldenburg ringt Meister SG Bietigheim einen Punkt ab
Aber so ein Spiel, da waren sich Reinemann und Pichlmeier einig, ist ja auch in erster Linie zum Lernen da. „Und hoffentlich passiert uns das in ein paar Jahren – oder besser Monaten – dann nicht mehr“, sagte Pichlmeier.
Auch Malene Staal, die trotz noch nicht ganz kurierter Schulter erneut einen couragierten Auftritt im Rückraum und der Abwehr hinlegte, nahm viel Gutes aus dem Spiel für die kommenden Partien am 9. November bei der bis jetzt noch ungeschlagenen HSG Blomberg-Lippe sowie am 16. November in der kleinen Arena gegen die Kurpfalz Bären mit: „Wir haben wirklich dafür gekämpft, und jetzt können wir mit viel Selbstbewusstsein in die nächsten Spiele gehen.“