Meyer-Landrut: Irgendwie beides. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es wahnsinnig schnell gegangen ist. Ein Augenschlag und schon sind zehn Jahre vorbei. Wenn ich das so ausspreche, ist das vollkommen irre. Auf der anderen Seite fühlt es sich an wie in einem früheren Leben. Weil einfach so viel passiert ist. Es ist eine wilde Fahrt gewesen bis jetzt.
Meyer-Landrut: Also an den genauen Ablauf nicht mehr. Vor zehn Jahren waren soziale Medien auch kein Thema. Es gab kein Instagram, keine großen Liveticker. Dadurch fühlte sich der ESC auch nicht so groß und omnipräsent an wie heute. Von der Punktevergabe weiß ich noch, dass ich irgendwann hinter die Bühne geführt wurde und sich alle total freuten. Dabei lief die Verkündung noch. Ich konnte aber rechnerisch wohl nicht mehr eingeholt werden, was ich gar nicht gepeilt habe. Ich konnte es echt nicht glauben. Es fühlte sich so unreal an.
Meyer-Landrut: Relativ spät. Sehr, sehr viele Jahre danach erst.
Meyer-Landrut: Passivität würde ich gar nicht sagen. Ich habe immer gesagt, was sich für mich gut oder schlecht anfühlt. Aber ich war trotzdem unwissend. Ich habe viele Sachen mitgemacht, von denen ich noch keine Ahnung hatte. Ich hatte vorher ja noch nie Musik gemacht. Ich war auch viel zu beschäftigt und hatte überhaupt keine Kapazität und Zeit, Dinge aufzunehmen und zu lernen. Darum hat es auch so lange gedauert, bis ich den Schalter umlegen konnte.
Meyer-Landrut: Das war erst 2017, als ich mein Album abgesagt und meine Tour abgebrochen habe. Das war für mich ein absoluter Wendepunkt. Da habe ich mir total viel Zeit genommen, um zu reflektieren.
Meyer-Landrut: Ich dachte, ich wäre so wie immer. Ich habe das nicht bemerkt, es war auch nicht mein Plan. Das war einfach eine Reaktion auf Dinge, die mir passiert sind und über die ich nicht nachdenken konnte. Ich habe nur noch reagiert, reagiert, reagiert.
Meyer-Landrut: Das hat mich schon verletzt, ich habe es auch gar nicht verstanden. Das ist erst geschehen, als ich später verstanden habe, was mit mir passiert ist. Erst dann konnte ich es einordnen.
Meyer-Landrut: Ja, das ist definitiv so. Ich finde das auch krass. Klar, ich hatte eine Phase, in der ich komisch drauf war. Aber das Gefühl habe ich seit einigen Jahren nicht mehr. Ich bin auf jeden Fall wieder mehr ich selbst. Aber ich merke, dass es sehr viel länger dauert, Sachen wiedergutzumachen, als Sachen kaputt zu machen. Einmal was Doofes gesagt und es dauert lange, das wieder umzudrehen. Weil die negativen Sachen meistens lauter sind als die positiven.
Meyer-Landrut: Ich bin sehr froh, dass ich das von Anfang an gemacht habe. Das habe ich auch bewusst so entschieden, auch wenn die Idee von Stefan (Raab) kam. Der macht das ja auch sehr erfolgreich. Ich habe aber einen anderen Ansatz. Ich nutze die sozialen Medien und zeige mich dort privater als jetzt Stefan oder Herbert Grönemeyer. Ich bin auch eine andere Generation. Prinzipiell bin ich froh, dass ich verinnerlicht habe, mein Privates zu schützen, gerade in Zeiten sozialer Medien. Da sinkt die Hemmschwelle ja, immer mehr Menschen zeigen sich privat.
Meyer-Landrut: Ein absoluter Segen. Ich habe dieses privilegierte und freie Leben auch wegen des ESC und bin jeden Tag dankbar dafür und demütig.