Friesoythe /Bösel 336 Sauen stehen bei der Böseler Landwirtin Sabine Hempen im Stall. Alle vier Wochen steht die Abferkelung an. Dann bringen 112 Sauen jeweils 13 bis 15 Jungtiere zur Welt, macht zusammen bis zu 1680 Ferkel. Die müssen in der ersten Lebenswoche kastriert werden – bislang läuft das Ganze ohne Betäubung ab. Damit soll bald Schluss sein.
Ein neues Tierschutzgesetz soll Anfang 2019 bundesweit in Kraft treten. Demnach sollen Ferkel vor der Kastration eine Betäubung erhalten. Das ist aber nicht so einfach, wie es sich anhört. Zum einen darf in Deutschland nur der Tierarzt die Spritze setzen – darin sehen die Landwirte eine logistisch kaum zu bewerkstelligende Herausforderung. Zum anderen können sie auf die Kastration nicht verzichten, weil sich dann das Fleisch schlechter verkaufen lässt.
„Stinker“ ein Problem
Von den zur Zeit vorhandenen alternativen Verfahren ist Landwirt Frank Preut aus Friesoythe noch nicht überzeugt: „Eine Betäubung durch den Tierarzt wäre kostspielig und zeitaufwendig und in der Praxis von den Tierärzten kaum zu leisten.“ Außerdem sei es schwierig einzuschätzen, wann die Ferkel nach der Kastration aufwachen und wieder gesäugt werden können. „Wir haben noch keine passende Lösung gefunden, sind aber weiter offen für praxistaugliche Alternativen.“
Einwilligung und Werberichtlinie
Ja, ich möchte den täglichen NWZonline-Newsletter erhalten. Meine E-Mailadresse wird ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. Ich kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen, indem ich mich vom Newsletter abmelde (Hinweise zur Abmeldung sind in jeder E-Mail enthalten). Nähere Informationen zur Verarbeitung meiner Daten finde ich in der Datenschutzerklärung, die ich zur Kenntnis genommen habe.
Warum es überhaupt leichter ist, wenn die Tiere kastriert sind, erklärt Thomas König, Landwirt und Vorstandsmitglied des Kreislandvolkverbandes Cloppenburg: „Es kann sein, dass Eberfleisch irgendwann stinkt. Von 100 Schweinen hat man vielleicht fünf oder sechs von diesen ’Stinkern’.“ Die Schwierigkeit sei dabei, die Stinker auf dem Schlachthof zu identifizieren – aufwendig, kostspielig, schlecht für die Vermarktung also.
König selbst hat sich aber für die kastrationsfreie Ebermast (siehe Info-Kasten) entschieden und ist zufrieden: „Die Schweine sind vielleicht ein bisschen unruhiger. Es kommt auch vor, dass sie gegenseitig aufspringen. Das kann dann auf die Gelenke gehen. Aber im Prinzip sind die Tiere gut zu handhaben.“ Potenzial sieht König in der örtlichen Betäubung: „Die Tiere sind nicht benebelt und können schnell wieder säugen.“
Schlecht akzeptieren würde der Verbraucher laut den Landwirten wohl die Immunokastration, obwohl es sich hierbei nicht um eine hormonelle Behandlung handelt, wie König erklärt. „Mit einer Impfung spritzt man sozusagen die Hoden zurück.“ Da muss Landwirtin Sabine Hempen den Kopf schütteln: „Das käme nicht in Frage.“
Ein Lichtblick für Dr. Gerald Otto, Mitarbeiter des Fleischproduzenten Goldschmaus in Garrel, ist ein Verfahren, dass bereits in der Schweiz angewendet wird: Die Betäubung mit dem gasförmigen Narkosemittel Isofluran. 90 Sekunden dauere es, bis das Ferkel vollständig das Bewusstsein verliert. Der Vorteil? Nach der Kastration wäre das Ferkel sofort wieder fit, um zu säugen. Ein wichtiger Aspekt, betont Otto: „Die Tiere müssen nicht nachschlafen, wie bei einer Injektion. Das ist gut, denn sie müssen der Mutter stündlich Milch abnehmen.“
Hoffen auf Isofluran
Erstes Hindernis: Isofluran sei für die Anwendung am Schwein in Deutschland noch nicht zugelassen, berichtet Otto. Ein Antrag dazu sei gestellt. Zudem dürften zwar in der Schweiz die Landwirte mit einem Sachkundenachweis die Betäubung durchführen – in Deutschland müsste dafür noch der Tierarzt kommen. Auf die Zulassung von Isofluran hoffen auch die Landwirte. Wie Andreas Schmies aus Friesoythe: „Wir haben es ausprobiert. Das hat mir gut gefallen. Aber wir brauchen eine Lösung, mit der wir alleine arbeiten dürfen.“
Ohne Nachteile ist die Methode allerdings nicht. „Es ist nicht ganz klimafreundlich“, erklärt Goldschmaus-Mitarbeiter Otto. Das Gas müsse daher über einen Filter aufgefangen werden.
Viele Fragen bleiben noch offen, und eine maßgeschneiderte Lösung wird es nicht geben. So wird jeder Betrieb individuell entscheiden müssen, welche Variante für ihn am besten geeignet ist.
Ein Video finden Sie unter www.nwzonline.de/videos