Bremen Richter Helmut Kellermann war nicht zufrieden. Er konnte es nicht sein. „Wir haben’s nicht geschafft. Der Versuch aufzuklären, ist gescheitert. Wir können uns nur bei den Angehörigen entschuldigen.“ Klare Worte nach dem Freispruch-Urteil für einen des Mordes angeklagten 58-Jährigen. Selbst der Staatsanwalt hatte in dem 25 Jahre zurückliegenden Freispruch gefordert.
Die Indizien waren zu schwach, Zeugenaussagen zu brüchig, Ermittlungspannen zu groß. „Es reichte uns nicht“, so Kellermann am Dienstag. Der 58-Jährige ist nun frei und kann bei Rechtskraft des Urteils nicht mehr - oder zumindest kaum noch - für dieselbe Sache angeklagt werden. „Für meinen Mandanten geht ein 25 Jahre langer Albtraum zu Ende“, sagte der Verteidiger. Die Familie der Verschwundenen wird weiter auf Antworten warten.
25. Juni 1993. Die Frau aus Bremen verschwindet. Der Angeklagte war damals ihr Lebenspartner, beiden haben einen kleinen Sohn, leben in Bremen Nord. Sie verließ die Wohnung am Abend. Seitdem wurde sie nie mehr gesehen. Ihr Freund gerät ins Visier der Ermittler. Es werden persönliche Gegenstände - eine Uhr, Labello-Stift, Papiere - der Frau auf einem Autobahnparkplatz gefunden, später wird eine Tüte aus einem See bei Schwanewede gefischt, auch darin finden sich persönliche Gegenstände. Der Inhalt wurde von einem Polizeibeamten damals als Müll eingestuft. Ein nicht hinzunehmender Lapsus, so der Richter.
Die Suche der Vermissten war prägend für die Ermittlungen. „Das trieb uns bis zuletzt an“, sagte Kellermann in seiner Urteilsbegründung. Die Familie und die Gesellschaft hätten ein Recht zu erfahren, was mit ihr passiert sei. „Sie haben ein Recht auf eine Antwort. Wenn sie keine bekommen, müssen sie die Gewissheit haben, dass alles getan wurde, um eine Antwort zu finden“, sagte Kellermann mit Blick auf die ungewöhnlich aufwendigen Ermittlungen.
Die Tüte mit den persönlichen Gegenständen war 1994 von Anglern im Tietjensee bei Schwanewede gefunden worden. Immerhin eine Spur. Möglicherweise barg der kleine See weitere Geheimnisse, die heute mit neuen Methoden gelüftet werden könnten. Die Ermittler hofften gar, die Leiche der Frau zu finden. Das Landgericht genehmigte - trotz Zweifel am Erfolg - das Abpumpen des Sees. Ein Riesenaufwand, der nach Schätzung des Gerichts einen sechsstelligen Betrag gekostet haben dürfte. 35 Millionen Liter Wasser wurden im vorigen Monat in die nahe Weser gepumpt und der morastige Untergrund abgesucht. Spürhunde, Pumpen, Harken, Metalldetektoren, eine Drohne kamen zum Einsatz.
Weder eine Leiche noch Hinweise auf eine Tatwaffe oder auf einen Mord fanden sich. Zumindest das steht fest, und nichts sollte unversucht bleiben. „Die Kosten waren in Kauf zu nehmen“, so Kellermann. Das Gericht ist der festen Überzeugung, dass die Vermisste tot ist. Ob der Angeklagte für ihren Tod verantwortlich ist oder nicht - beide Fälle konnten nicht mit Beweisen belegt werden. Ob das Urteil nun ein Freispruch erster oder zweiter Klasse sei, wolle er nicht kommentieren, so der Richter. Auf Grundlage der Sachlage sei der Angeklagte jedenfalls freizusprechen gewesen.